Alesia Graf (re.) setzt eine Schlagserie an: Die Stuttgarterin wagt nach einem Jahr Kampfpause ein Comeback im Ring. Foto: dpa

Die Stuttgarter Box-Weltmeisterin Alesia Graf steigt erstmals im Bantamgewicht in den Ring.

Wollonggong - Es sieht nach Flucht aus, was Alesia Graf gemacht hat. Vor drei Monaten packte die 31 Jahre alte Boxerin ihre Koffer und flog von Stuttgart ans andere Ende der Welt. Genauer: nach Australien. Dort will die Tigerin noch einmal durchstarten - und in einer neuen Gewichtsklasse den WM-Gürtel holen.

Die stahlblauen Augen von Alesia Graf funkeln. Der Deckenfluter in der Trainingshalle strahlt ihr mitten ins Gesicht. Die 1,70 m große Boxerin blinzelt und feuert eine rechte Gerade in die Pratze von Trainer Lee Murray. Dann folgt die Linke. An ihrem Kinn bilden die Schweißtropfen ein Rinnsal. Im Stakkato knallt eine Faust nach der anderen in die Schutzhandschuhe des Coaches. Die Stuttgarterin keucht. "Gutes Mädchen", versucht Lee Murray das Ende der Einheit einzuläuten. Doch Graf boxt weiter, malträtiert die Pratzen aufs Äußerste. Aufhören, oder noch schlimmer: aufgeben, ist für sie ein Fremdwort.

"Ich fühle mich stärker als je zuvor", sagt die gebürtige Weißrussin nur und beginnt in der Sporthalle der Universität Wollongong den Boxsack zu bearbeiten. In der 235.000- Einwohner-Stadt im Südosten Australiens hat sich die Modellathletin vor drei Monaten niedergelassen. Aus gutem Grund: "In Australien hat das Frauenboxen einen hohen Stellenwert, ist lukrativer als in Deutschland. Da habe ich keine Perspektive mehr gesehen", gibt Alesia Graf zu, die sich seit 2010 selbst vermarktet, weil ihr früherer Boxstall Universum sie fallen ließ.

Wie gut sie drauf ist, wird sich am Samstag zeigen

Doch es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb die Linksauslegerin den Weg nach Down Under gewagt hat: Lee Murray. "Er arbeitet an der Universität und hat mich physisch und technisch perfekt vorbereitet", lobt Graf ihren neuen Coach. Wie gut sie wirklich drauf ist, wird sich jedoch erst am Samstag zeigen. Dann trifft die WIBF-Weltmeisterin im Superfliegengewicht in der Snakepit-Hall in Wollongong auf die unbekannte Australierin Julie Bremer. Allerdings nicht in ihrer früheren Gewichtsklasse, sondern erstmals im zwei Kilogramm schwereren Bantamgewicht.

"Ich darf Julie Bremer nicht unterschätzen. Sie muss stark sein, wenn sie sich traut, gegen mich anzutreten", warnt Alesia Graf. Sie weiß, dass ihr auch die Wettkampfhärte fehlt. Ihr letztes Duell ist über ein Jahr her. In Mexiko City verlor die zweifache Boxweltmeisterin damals im Junior-Bantamgewicht (bis 52,163 Kilogramm) gegen WBC-Weltmeisterin Ana-Maria Torres. Ihre Gürtel der Verbände WIBF und GBU durfte Graf aber behalten, weil es nur um den der Mexikanerin gegangen war. Eine Niederlage gegen Bremer kommt für Graf aber nicht in Frage. Die Australierin soll nur eine Übergangsstation sein. "Mein Ziel ist es, den WM-Gürtel im Bantamgewicht in Australien zu holen und zurück nach Deutschland zu bringen", sagt Graf selbstbewusst. Dafür gibt sie im Training alles.