Konzernzentrale auf der Gerlinger Schillerhöhe Foto: dpa/Marijan Murat

Im Iran können Bosch-Kameras dem Mullah-Regime helfen, sein unterdrücktes Volk zu überwachen. Und trotzdem ist dies noch kein deutscher Wirtschaftsskandal, kommentiert Peter Stolterfoht.

Bosch hat Überwachungskameras in die Mullah-Diktatur Iran geliefert. Ein Skandal! Diese Beurteilung ist mit dem Wissen um ein immer menschenverachtenderes Vorgehen gegen Demonstranten, die für Frauenrechte und Demokratie einstehen, sehr verständlich. Aus heutiger Sicht. Doch um den Technologiekonzern in dieser gerade bekannt gewordenen Angelegenheit tatsächlich fair beurteilen zu können, müssen diese zwischen 2016 und 2018 abgewickelten Geschäfte auch in den entsprechenden historisch-politischen Zusammenhang gebracht werden.

 

Die Bosch-Kameras gingen in einer Zeit in den Iran, als dort in Hassan Rohani ein Präsident an der politischen Spitze stand, von dem sich der Westen eine maßgebliche Verbesserung der Beziehungen und eine endgültige Lösung des Atomstreits versprochen hatte. Der als gemäßigt geltende Rohani gewann 2013 mit der Ankündigung die Wahl, die Wirtschaft zu öffnen und in seinem Land eine Menschenrechts-Charta einzuführen. Die Kamera-Lieferung verstieß so ja auch gegen kein Wirtschaftsembargo.

Hilfreiche Erinnerung an den Firmengründer

Die Hoffnungen, die damals mit dem Iran verbunden wurden, erfüllten sich am Ende nicht. Das wissen wir heute und halten es jetzt auch für gut möglich, dass mit Hilfe von Bosch-Technik im Iran versucht wird, Regimekritiker zu verfolgen. Deshalb aber nun mit der Moralkeule auf den Konzern einzuprügeln, wäre eine undifferenzierte Reaktion.

Vielleicht kann man bei Bosch diesem Fall trotzdem etwas Positives abgewinnen. Ist er doch auch ein Appell, sich die eigene Geschichte zu vergegenwärtigen. Dem Gründer Robert Bosch waren Diktaturen zuwider, was durch seine Nähe zum Widerstand in der NS-Zeit belegt ist.