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Ach Isabella, beim Gedanken an die üppige Schönheit wird gestandenen Männern ganz blümerant zumute. Die Auferstehung von Borgward fasziniert die Autoliebhaber. So mancher mag nicht warten und kauft sich bereits jetzt seine Isabella – en miniature.

Stuttgart - Sie sind einer der größten Autohändler der Stadt. Bei Jörg Trüdinger und Mario Cini im Heusteigviertel parken gut Zehntausende Autos. Manche sind nur wenige Zentimeter groß. In Regalen, Schränken und Schubladen warten sie auf ihre Käufer. Besonders oft fragen die Kunden im Laden Such & Find an der Mozartstraße nach Isabella, Arabella, Hansa und Goliath, den Modellen und Marken der 1961 verblichenen Borgward-Gruppe. Denn die Nachricht von der Auferstehung der traditionellen Firma und ihrem baldigen Einzug in Stuttgart hat die Sammler elektrisiert. „Die Nachfrage hat angezogen“, sagt Trüdinger. Da ist es gut, dass er dieser Tage Nachschub bekommen hat – ganz ohne Kooperation mit einem chinesischen Hersteller. Über die üblichen Wege der Sammler, der eine kennt einen, der wieder einen kennt, ist der Nachlass eines Borgward-Fanatikers aus Bremen in Stuttgart gelandet: Modellautos, Bücher, Plakate und allerlei Krimskrams. Trüdiger und Cini sind ihrer Zeit voraus. Bei ihnen ist Borgward schon angekommen. Zurück in die Zukunft fällt einem ein, wenn man das Modell des Traumwagens sieht. Der heißt wirklich so. Und sieht mit seinen Heckflügeln auch so aus, wie das Auto mit dem Marty McFly in dem Film „Zurück in die Zukunft“ durch die Zeit reist. Entworfen hatte den Wagen der Diplomingenieur Erich Übelacker. Er tickte wohl ähnlich wie sein Chef Carl Borgward, war ein Tüftler vor dem Herrn und hatte keine Scheu vor Experimenten. Er ließ die Karosserie der Limousine aus Leichtmetall bauen, der 2,5-Liter-Boxermotor ließ den Wagen nahezu 200 Stundenkilometer schnell fahren. Zum Einsteigen klappte man das komplette Dach weg und kraxelte hinein. Im Jahre 1955 verschreckte der mysteriöse Wagen bei Probefahrten mehrere Zeitgenossen, sie glaubten, Außerirdische seien gelandet. Dummerweise endete der Wagen an einem Baum auf der Kreuzung Vahrer Straße/Schwachhauser Heerstraße in Bremen. Sein Wrack wurde nach dem Konkurs von Borgward verschrottet. Aus der Traum.

Im Besitz von Trüdinger ist auch das Transkript einer Radiosendung des Süddeutschen Rundfunks vom 20. Februar 1962. „Der Untergang der Borgward-Werke“ hat Autorin Charlotte Rothweiler die „Sendung über den größten wirtschaftlichen Zusammenbruch der Bundesrepublik“ genannt. Ein Stück Zeitgeschichte. Sie zeichnet den Lebensweg von Carl Borgward nach, der „sich mit 19 Jahren und tausend Mark in der Tasche selbstständig macht“. Er wird Teilhaber einer kleinen Firma. Statt Nudelpressen und Bohnenschneidemaschinen lässt er alsbald Teile für die Automobilindustrie fertigen. 1924 baut er einen zweisitzigen Wagen. Den will allerdings keiner kaufen. Im Jahre darauf bringt er die Blitzkarre auf den Markt, einen Mini-Laster auf drei Rädern. Man musste ihn anschieben und dann aufspringen.

In den Jahren darauf wurden die Wagen größer, die Gewinne stiegen. 1931 übernimmt Borgward die Hansa-Lloyd-Werke. Fortan erscheinen die verschiedenen Hansa-Modelle. Im Krieg baut Borgward Kettenfahrzeuge für die Wehrmacht. Die Amerikaner verboten ihm als „Belastetem“ das Führen seiner Werke, 1948 stufte ihn der Bremer Senat als „Mitläufer“ ein: Er war wieder Herr im Hause. Man baute Laster, Sportwagen, Limousinen und von 1954 an die legendäre Isabella. Und versuchte sich gar an einem Hubschrauber. Der geniale Konstrukteur Borgward konnte sich an seine Autos verbeißen, selbst die Zierleiste änderte er zigmal, bis er zufrieden war. Doch diese Ausdauer besaß er bei der Führung seines Firmengeflechts nicht. Drei Hauptwerke, ein Lkw-Werk, eine Gießerei, eine Verkaufsgesellschaft, ein Finanzierungsinstitut und eine Versicherungsvermittlungsfirma zählten dazu, alle im Besitz Borgwards und seiner Frau. 1960 ging ihnen das Geld aus. Die staatseigene Bremer Gesellschaft für Wirtschaft und Arbeit AG gab ihnen jedoch einen Kredit über 30 Millionen Mark. Was dann geschah, ist bis heute nicht restlos geklärt. Der Bremer Senat zog urplötzlich seine Bürgschaftserklärung zurück, Borgward bekam kein Geld mehr. Die Gläubiger verloren die Geduld, alsbald summierten sich die Forderungen auf 720 Millionen Mark. Der Senat stellte Borgward vor die Wahl, seine Firmen an das Land Bremen zu übergeben oder Konkurs anzumelden. Ein gewisser Johannes Semler sollte das Unternehmen verkaufen. Doch der war Aufsichtsratsvorsitzender von BMW und verfolgte offenbar ganz andere Interessen, er sandte gar Ingenieure von Borgward nach Bayern, um BMW auf die Beine zu helfen. Borgward musste dichtmachen, 20 000 Menschen verloren ihre Arbeit. Die Verwertung des Vermögens brachte übrigens so viel Geld ein, dass alle Schulden bezahlt werden konnten. Auch diese Tatsache nährt die Vermutung vieler Automobilkenner, man habe ein gesundes Unternehmen über die Klinge springen lassen. Und die Konkurrenz habe dies nicht nur mit Wohlgefallen betrachtet, sondern hinter den Kulissen dabei tatkräftig mitgewirkt. So hing am letzten Borgward das berühmte Schild: „Du warst zu gut für diese Welt.“