Der Ex-Daimler-Manager Ulrich Walker ist neuer Borgward-Chef Foto: Borgward

Der Ex-Daimler Manager Ulrich Walker ist neuer Vorstandschef der Borgward Group AG. Zusammen mit dem chinesischen Hersteller Foton soll er der deutschen Traditionsmarke zu einem internationalen Comeback verhelfen. „Unser Werk in Peking ist startklar, ebenso die Motorenfabrik“, sagt er im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten.

Herr Walker, wie haben Freunde und ehemalige Kollegen reagiert, als sie von Ihrem neuen Job gehört haben?
Es hat mich noch keiner für verrückt erklärt, wenn Sie das meinen. Im Gegenteil: Ich habe enorm viel Zuspruch erfahren. Ein früherer Kollege sagte sogar, jetzt kommt endlich Musik rein in das Thema Borgward.
Nach über 30 Jahren als Automobilmanager könnten Sie Ihren Ruhestand genießen.
Ich bin keiner, der die Füße hochlegt. Ich bin autobegeistert und liebe Herausforderungen. Das Projekt ist solide geplant und finanziert – und hat enorm viel Potenzial. Ich habe zwölf Jahre für Mitsubishi und Daimler in Asien gearbeitet und kenne den Markt. Ich brauchte daher nicht lange zu überlegen, um zuzusagen, als ich angefragt wurde. Diese traditionsreiche und innovative Marke wieder mit Leben zu füllen ist unglaublich spannend.
Was sind die nächsten Schritte, die Sie als Vorstandschef angehen wollen?
Es geht zunächst darum, das Team zu komplettieren mit Entwicklungs- und Finanzvorstand sowie etwa einer Kommunikationsabteilung. Zudem wollen wir unser Entwicklungsteam weiter ausbauen. Der Grundstamm ist also da, und wir müssen das Zusammenspiel der internationalen Teammitglieder feinjustieren.
Welche Rolle spielen die Chinesen bei Borgward?
Der Nutzfahrzeughersteller Foton ist der erste globale Partner und Hauptaktionär der Borgward Group AG und momentan auch größter Investor. Unser Werk in Peking ist startklar, ebenso die Motorenfabrik. Rund 1000 internationale Ingenieure arbeiten bereits dort, basierend auf unseren deutschen Standards. Wenn Sie die Maschinen, die Organisation und Prozesse anschauen, werden Sie feststellen, dass wir in jeder Hinsicht auf deutschem Niveau unterwegs sind. Wir sind ein eigenständiges, deutsches Unternehmen mit einem starken Partner, und unsere Autos werden in Borgward-Fabriken gebaut. Diese Partnerschaft macht uns für weitere Investoren interessant.
Zur IAA in Frankfurt im September wollen Sie bereits ein Auto präsentieren. Was erwartet den Kunden?
Wir werden einen Geländewagen zeigen, ein Cross-Utility-Vehicle für die Stadt. Wir haben uns bewusst für dieses Segment als Premierenauto entschieden, weil dies in China, aber auch in Europa der am stärksten wachsende Markt ist. Das Auto wird Züge eines Coupés haben. Derzeit wird das Auto überall auf der Welt getestet, im nächsten Jahr soll es zu den Händlern kommen.
So etwas machen andere auch. Warum soll sich ausgerechnet Borgward verkaufen?
Wir wollen ein erschwingliches Premiumfahrzeug bauen, das in unseren Zielmärkten wie beispielsweise in China preislich zwischen den japanischen Herstellern und VW angesiedelt ist. Design, Anmutung und Haptik werden absolut hochwertig sein. Wenn Leder verwendet wird, soll dies echt sein und nicht nur Plastik mit Lederoptik. Dazu kommt ein einzigartiges Handling. Das besondere Fahrgefühl eines Borgward, das damals schon den Reiz ausgemacht hat, wollen wir wieder in das Auto bekommen.
Wer ist die Zielgruppe in China?
Das sind junge Familien, in denen die Eltern meist eine sehr gute Ausbildung haben und gut verdienen. Diese Zielgruppe ist markenbewusst und lebt einen eher westlichen Lebensstil. Themen wie Sicherheit, Qualität und Design sind bei diesen Kunden extrem wichtig. Es geht längst nicht mehr nur darum, den Chinesen statt eines Fahrrads einen fahrbaren Untersatz mit vier Rädern zu verschaffen.
Mit 800 000 verkauften Einheiten bis 2020 haben Sie ein ehrgeiziges Ziel formuliert . . .
. . . und dieses Ziel ist absolut realistisch. Bis 2020 werden in China pro Jahr mehr als 30 Millionen Neufahrzeuge pro Jahr verkauft. Wenn wir nur einen Marktanteil von zwei Prozent erreichen, verkaufen wir schon deutlich mehr als 600 000 Einheiten.
Wann soll das Auto nach Europa kommen?
Wir konzentrieren uns zunächst auf China und andere Schwellenländer wie Indien oder Brasilien. Erst in einem zweiten Schritt nehmen wir Europa in Angriff. Aber eines ist sicher: Borgward wird schon bald wieder in Deutschland zu erfahren und zu kaufen sein.
Wird es bei einem Modell bleiben?
Nein, wir werden zunächst um drei SUV-Modelle herum eine Familie aufbauen mit zahlreichen Ablegern. Später werden da auch Limousinen dabei sein – und gerade letztere werden an die Tradition Borgwards noch enger anknüpfen.
Wie sollen diese zum Kunden kommen? Sie haben in Europa ja kein Vertriebsnetz.
Darüber diskutieren wir derzeit. Es gibt die Möglichkeit, mit Mehr-Marken-Händlern zusammenzuarbeiten. Wir haben jedoch auch die Chance, den Vertrieb neu zu denken – ohne Händlernetz im traditionellen Sinn. Der Trend geht in Richtung Brandcenter, etwa eine Art Internetcafé mit großem Bildschirm, auf denen sich Autos präsentieren und konfigurieren lassen, Materialien und Farben und angeschaut und ausgewählt werden können. Wir wollen eine gute Mischung aus On- und Offline-Vertrieb, mit der man schneller die richtigen Kunden erreichen kann.
Wieso haben Sie sich für Stuttgart als Hauptsitz entschieden?
Die Region hat mit seinen zahlreichen Zulieferern und hoch qualifizierten Beschäftigten eine ausgereifte und perfekte Infrastruktur. Gerade bei den Mitarbeitern aus der Automobilindustrie spüren wir ein großes Interesse – was sich nicht zuletzt in zahlreichen Bewerbungen ausdrückt, die uns erreichen. Und weil Foton mit Daimler zusammenarbeitet, war denen Stuttgart natürlich ein Begriff. Die Chinesen haben in der Zusammenarbeit mit vielen Firmen die Erfahrung gemacht: Die Schwaben sind verlässliche Menschen.
Geplant war als Zentrale zunächst der ehemalige IBM-Campus auf dem Eiermann-Areal. Warum hat das nicht geklappt?
Mittelfristig ist das Gelände immer noch interessant, weil dort Platz für alle Abteilungen wäre, auch für Design und Prototypenbau. Wir sind gerade dabei, mit der Stadt einen weiteren Termin zu vereinbaren, um die offenen Fragen und Themen zu besprechen.
Wo werden Sie jetzt Ihr Büro beziehen?
Am neuen Gebäude City-Gate am Stuttgarter Hauptbahnhof steht auf einem Briefkasten bereits Borgward. Wir haben dort zunächst ein Stockwerk gemietet und hoffen, bis Ende August umziehen zu können.
Wie viele Mitarbeiter wird die Borgward Group AG in Stuttgart haben?
Hier werden es etwa 150 sein. Weltweit rechnen wir damit, dass bei Produktionsstart etwa 2000 bis 2500 Menschen bei uns beschäftigt sind.
Wie lange können Sie durchhalten, bevor Foton den Geldhahn zudreht?
Jeder Großaktionär hat Vorgaben, das ist bei BMW oder VW auch nicht anders. Wichtig bei den Verhandlungen mit Foton war, dass wir langfristig und nachhaltig zusammenarbeiten. So haben wir nicht das Problem wie viele börsennotierte Unternehmen, die nur noch von Quartal zu Quartal denken. Eine gemeinsame deutsche und asiatische Eigenschaft ist die hartnäckige Verfolgung eines Ziels. Konfuzius sagt: Es spielt keine Rolle, wie lange du gehst, Hauptsache, du machst keinen Halt.
 

Ulrich Walker

1951 wird Ulrich Walker am 20. August in Tübingen geboren.

Nach einem Maschinenbaustudium an der Universität Stuttgart steigt er bei Daimler ein und hat dort in seiner 35-jährigen Karriere viele Funktionen.

2000 bis 2004 war er im Vorstand des damaligen Daimler-Partners Mitsubishi für Entwicklung und Produktionsplanung zuständig.

2004 bis 2006 leitete er die Kleinwagenmarke Smart und integrierte sie in die Mercedes Benz Cars Group.

2006 bis 2013 war er für Daimler in China, Taiwan und Korea zuständig.