Die 500-Kilo-Bombe sorgte für Bahnchaos im Kessel Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

90 Minuten kam der S-Bahn-Verkehr aufgrund eines Bombenfunds in Stuttgart-Nord am Dienstag zum erliegen. Jetzt gerät das Informationsmanagement in die Kritik.

Stuttgart - Wie anfällig der öffentliche Nahverkehr für Ausnahmesituationen ist, hat der Bombenfund in Stuttgart-Nord am Dienstag gezeigt. Von 17 Uhr bis 19.30 Uhr herrschte in ganz Stuttgart Bahnchaos, da der S-Bahn-Verkehr in der Innenstadt komplett ausgefallen war und viele Fahrgäste im Feierabendverkehr auf Busse und Bahnen der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) umgestiegen sind. Trotz Krisenmanagement hatten die Stadtbahnlinien während der Bombenentschärfung im Schnitt 20 Minuten Verspätung. Zu allem Überfluss streikte während der ohnehin schon chaotischen Phase auch noch die Internetseite der VVS, die aufgrund der hohen Zugriffszahlen abgestürzt war.

„Auf so eine Situation konnten wir unmöglich vorbereitet sein. Wir haben getan, was konnten und unsere Kapazitäten an Ersatzbahnen sind sehr begrenzt. Wir haben fast keine Reserven mehr“, sagt SSB-Sprecherin Susanne Schupp. Fünf außerordentliche Züge waren auf den Linien U 6, U 1 und der Sonderlinie zum Cannstatter Wasen, U 11, im Einsatz. Nicht genug, um den Komplettausfall der S-Bahn aufzufangen. „Das waren zu viele Menschen, als dass unsere Maßnahmen gegriffen hätten“, sagt Schupp. Die Anschaffung einer Stadtbahn kostet vier Millionen Euro, die erst mal gerechtfertigt werden müssen.

Das Einsatz-Fazit der Polizei lesen Sie hier.

Nicht nur bei der Stadtbahn, auch bei den Bussen kam es zu Verspätungen. Diese wurden allerdings von der SSB nicht exakt ausgewertet. Als problematisch wurde von vielen Fahrgästen das Informationsmanagement aufgefasst. In sozialen Netzwerken bemängeln Betroffene, dass die Lautsprecher an den Stadtbahnhaltestellen keine Durchsagen gemacht hätten, auf einigen Anzeigetafeln wurden Verspätungen nicht angezeigt und die Online-Fahrplaninformation der VVS-App war nicht verfügbar.

Auch bei die Polizei hat die Fahrgäste vom Bombenfund und den damit verbundenen Folgen erst spät informiert. Obwohl die Bombe kurz vor 14 Uhr entdeckt wurde, hat die Polizei die Meldung erst um 15.24 Uhr im Internet veröffentlicht.

Zumindest die Lautsprecher, die im Verantwortungsbereich der SSB liegen, hätten laut Sprecherin Schupp funktionieren müssen. „Die werden regelmäßig gewartet“, sagt sie. Allerdings könne sie nicht garantieren, dass die Durchsagen bei regem Betrieb am Bahnsteig und dem damit verbundenen hohen Lärmpegel auch überall deutlich zu hören gewesen seien.

Nachdem die Bombe um 18.55 vom Kampfmittelbeseitigungsdienst entschärft worden war, musste die Bahn den S-Bahn-Verkehr wieder ankurbeln. „Kein Zug stand dort, wo er hingehört hätte“, sagt ein Sprecher. Als sie wieder beim Hauptbahnhof einfahren konnten, hatten sich so viele Fahrgäste am Gleis angesammelt, dass teilweise nicht mehr alle mitfahren konnten. „Bis 22.30 Uhr fuhren die Züge aufgrund des Chaos außerplanmäßig. Um 23 Uhr hatte sich die Situation aber wieder komplett normalisiert“, so der Sprecher weiter.

OB Fritz Kuhn (Grüne) hatte Anfang der Woche an die Bürger appelliert, das Auto aufgrund hoher Feinstaubwerte bis Donnerstagabend in der Garage zu lassen und stattdessen mehr öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Das wird es dieses Jahr noch öfter geben. Auch die ab Herbst 2017 geplante Maßnahme, wechselnde Fahrverbote für Fahrzeuge mit geraden ungeraden Kennzeichen durchzusetzen, wird den öffentlichen Nahverkehr weiter belasten.

SSB-Sprecherin Schupp sieht sich in dem Vorfall vom Dienstag bestätigt. „Wenn der öffentliche Nahverkehr gestärkt werden soll, muss die Finanzierungsfrage gelöst werden“, sagt sie. Die Bahn sieht die drohende Zusatzbelastung gelassener. „Wir werden die Erfahrungen abwarten, die wir aus Feinstaubalarmphasen machen und dann entsprechend reagieren“, so der Sprecher.