Polizei in schwerer Montur holte am Dienstagmittag Kinder aus der Silcherschule Foto: www.7aktuell.de | Sven Adomat

Schwer bewaffnete Polizisten, panische Eltern und tapfere Kinder, die über Stunden im Klassenzimmer ausharren: Ein Drohbrief hat am Dienstag einen Großeinsatz in Zuffenhausen ausgelöst. Eine Bombe gab es jedoch nicht.

Stuttgart - Die Haldenrainstraße ist ein Meer aus Blaulichtern. Auf den Parkplatz neben dem Stadtbad in Zuffenhausen rollen am späten Dienstagvormittag mehr als 30 Mannschaftsbusse der Polizei. Schwer bewaffnete Spezialkräfte stürmen in Richtung des angrenzenden Schulgeländes, umstellen die Gebäude, lassen niemanden mehr durch.

Immer mehr besorgte Eltern treffen ein, manche geraten in Panik. „Lassen Sie mich rein, ich will meine Tochter abholen“, brüllt ein Vater. Ein anderer sagt: „Ich habe große Angst. Sie sagen einem nicht, was los ist, und ich kann die Durchsagen nicht verstehen.“ Immer neue Gerüchte machen die Runde. Einige Mütter kippen um und müssen von den Rettungskräften behandelt werden.

Zu diesem Zeitpunkt sitzen rund 400 Schülerinnen und Schüler in der Silcher- und der Haldenrainschule. Sie haben sich mit ihren Lehrern in den Klassenzimmern eingeschlossen. Die Grundschule und die Förderschule befinden sich auf demselben Gelände – und werden bedroht. Gegen 11.20 Uhr ist im Briefkasten der Silcherschule ein Zettel gefunden worden. Der bisher unbekannte Verfasser kündigt darauf einen Bombenanschlag an.

Schüler und Lehrer schließen sich ein

Die Schulleitung reagiert besonnen. Die Kinder bleiben in den Klassenzimmern, zum Teil geht sogar der Unterricht weiter, damit keine Panik ausbricht. Dann wird die Polizei gerufen. Angesichts der Schreibfehler in der Drohung vermuten die Beteiligten, dass möglicherweise ein Schüler sie verfasst hat. Doch ob sie ernst zu nehmen ist, kann niemand genau sagen.

Also läuft der Großeinsatz an. Eine Bombe werden die Spezialkräfte später nicht finden. Doch die Kinder müssen erst einmal aus den Schulen raus. Das gesamte Areal wird weiträumig dicht gemacht, über 250 Beamte durchsuchen alles und sichern das Gelände. Bei den Eltern haben sich die Ereignisse inzwischen herumgesprochen, Hunderte Menschen strömen zu den Schulen. „Meine Hausbesitzerin hat mich angerufen. Sie hat im Vorbeifahren die Krankenwagen und die Polizei gesehen“, erzählt eine Mutter.

Speziell geschulte Beamte versuchen, die Eltern zu beruhigen. „Es geht allen gut, es geht allen gut“, ruft einer. Dann kommen die Kinder. In Gruppen werden sie aus den Gebäuden in die benachbarte Sporthalle gebracht. Die meisten lächeln tapfer, andere rennen sofort auf ihre Eltern zu. Klassenweise können die Angehörigen die Schüler aus der Halle holen. So manches Kind ist tränenüberströmt, als die Anspannung abfällt und die Mama endlich die Hand halten kann.

Nach dreieinhalb Stunden ist der Spuk vorüber

Um 14.45 Uhr, fast dreieinhalb Stunden nach dem Fund der Drohung, haben alle Schüler die Gebäude verlassen – eskortiert von schwer bewaffneten Beamten. Eltern und Kinder atmen auf, beruhigen sich langsam. Nach und nach gehen sie nach Hause, das Gelände leert sich. Doch die Geschehnisse und der Großeinsatz der Polizei haben bei vielen Eindruck hinterlassen. Wie der Unterricht in den nächsten Tagen weiter geht, ist zunächst unklar.

Später am Tag meldet sich der Vizepräsident der Stuttgarter Polizei zu Wort. „Wir müssen jede Lage individuell bewerten und entscheiden dann, wie wir vorgehen“, sagt Norbert Walz. In Zuffenhausen sei die Lage zunächst unklar gewesen, man habe deshalb keine Entwarnung geben können. Außerdem hatten sich Lehrer und Schüler bereits in den Klassenzimmern eingeschlossen. Walz verteidigt den massiven Auftritt: „Entscheidend für unsere Maßnahmen waren die große Anzahl der zu schützenden Schüler sowie die Größe des Areals. Dies war nur mit einem Kräfteeinsatz in dieser Größenordnung zu bewerkstelligen.“ Man habe außerdem eine geordnete Räumung der Schule erreichen und eine panikartige Flucht der Schülerinnen und Schüler verhindern wollen.

Als das Gelände schon fast verwaist ist und nur noch wenige Beamte außen die Stellung halten, taucht eine Mutter auf. Sie will ihre Tochter abholen und hat noch nichts von den Vorfällen mitbekommen. Als sie die Lage erfasst, wird sie kreidebleich. „Alles ist in Ordnung“, sagt ein Polizist beruhigend. Und schickt sie zur Sporthalle, wo die letzten Kinder warten. Sofort rennt die Frau los.