Mit 8,5 Millionen Euro war der Neubau des Böblinger Amtsgerichtes im Jahr 2021 berechnet worden. Heute werden die Kosten auf rund 18 Millionen Euro geschätzt. Einziehen können die Richter Anfang 2025.
Vor drei Jahren hieß es, der Umbau des Amtsgerichts sei in zwei Jahren fertig. Tatsächlich rechnet Tobias Brenner, der Direktor des Gerichtes damit, dass die etwa 100 unmittelbar betroffenen Mitarbeiter aus ihren je nach Betrachtungsweise fünf bis sechs Standorten im Frühjahr 2025 zurück in die Steinbeisstraße ziehen können. Seitdem das Amtsgerichtsgebäude in der Steinbeisstraße renoviert wird, sind die Mitarbeiter in ganz Böblingen verteilt, die Strafsachen werden in Containern auf dem Hof der Böblinger Polizei verhandelt, was erstaunlicherweise nicht nur Nachteile hat: Denn in Strafsachen sind zumeist Polizisten als Zeugen geladen, und die haben einen kurzen Dienstweg in das Containerdorf.
Überteuerte Angebote
Die Gründe für die Verzögerung sind dieselben, unter denen fast alle Bauvorhaben in der Vergangenheit gelitten haben: Die Einflüsse von der Coronapandemie und der Kriege auf die Wirtschaft im Allgemeinen und der Bauwirtschaft im Besonderen. Die Baumaßnahme hatte mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. Ausschreibungen führten zu überteuerten oder auch gar keinen Angeboten und mussten wiederholt werden. Mittlerweile hat sich die Lage deutlich gebessert und Leistungen können unter Beteiligung mehrerer Bieter auch im geplanten finanziellen Rahmen vergeben werden.
Trotzdem haben sich die Baukosten mehr als verdoppelt von ursprünglich 8,5 Millionen Euro auf 18 Millionen.
Dazu kam noch ein Baustellenunfall: Beim Verschweißen der Dachpappe hatte es ein Feuer gegeben, das ein Zimmer in Mitleidenschaft gezogen hatte und ein Fenster zerstört. Die Zeiten, in denen ein Glaser gekommen war, um das Fenster zu richten, sind längst passé, das Spezialfenster musste von einer ebensolchen Spezialfirma wieder nachgeliefert werden, berichtet Britta Mackert, die Verwaltungsleiterin des Böblinger Amtsgerichtes. Etwa eine halbe bis ganze Stelle ist vonnöten, um die Baustelle auf der Verwaltungsseite zur organisieren.
Zwei Ministerien beteiligt
Tobias Brenner, der als Politiker auch die SPD-Kreistagsliste anführt, kennt die Gemengelage im Land, die den Bau zusätzlich etwas komplizierter macht. Es sind zwei Ministerien an der Planung des neuen Gebäudes beteiligt: Das Justizministerium als Bauherr und das Finanzministerium als Geldgeber. Zwischen den beiden Ministerien liegt als Schnittstelle das Amt für Vermögen und Bau in Ludwigsburg. Die Amtschefin Corinna Bosch hat den Stand der Dinge so zu Papier gebracht:
„Das Amtsgericht Böblingen ist seit Jahren mit mehreren Standorten über das Stadtgebiet Böblingens verteilt. Die Notariatsreform, die fortschreitende Digitalisierung und Wandlungen in den Arbeitsabläufen der Gerichtsbarkeit hat das Land Baden-Württemberg, vertreten durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg Ludwigsburg, zum Anlass genommen den Standort Steinbeisstraße fünf bis sieben grundlegend zu sanieren und räumlich zu erweitern.“
Trennung zwischen Öffentlichkeit und Verwaltung
Der ehemalige Saalanbau hinter dem Hauptgebäude wurde abgebrochen und durch ein wesentlich größeres Gebäude ersetzt. In diesem werden alle öffentlichen Funktionen zentral untergebracht. Dort befinden sich zukünftig alle Verhandlungssäle, Anhörungszimmer, Wartebereiche und der abgetrennte Bereich des Familiengerichts.
Mit dem Neubau wird auch die konsequente Trennung des öffentlichen Bereichs vom Bürobereich und die der Täter von den Opfern umgesetzt und damit die Sicherheit für alle Beteiligten auf einen aktuellen Standard gehoben. Dies waren alles Maßnahmen, die sich im bestehenden Saalanbau von 1964 nicht mehr umsetzen ließen.
Hauptgebäude ist dem Personal vorbehalten
Das Hauptgebäude an der Steinbeisstraße bleibt in seiner ursprünglichen Form bestehen und beherbergt künftig die Verwaltung und Büros der Mitarbeiter und der Richter. Es wird dann dem Personal vorbehalten und für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich sein.
Das Bauvorhaben mit Neubau und Sanierung wurde im Juni 2021 begonnen. Erwähnenswert ist aus Sicht des Amtes dabei die Beteiligung vieler mittelständischer Betriebe aus Baden-Württemberg, die sich mit guten Angeboten und guten Referenzen auch in den vielen europaweiten Ausschreibungen behaupten und zum Zug kommen konnten. Zur Zeit läuft der Innenausbau. Die technischen Anlagen sind bereits montiert, als nächstes sollen Tischler, Maler und Bodenleger tätig werden. Im Außenbereich haben die Arbeiten im März begonnen.
Das Amt Ludwigsburg plant die Gebäude und Außenanlagen im Spätherbst fertig zu stellen. Nach einer Inbetriebnahme- und Abnahmephase wird das Gebäude im ersten Quartal 2025 an das Amtsgericht zur Nutzung übergeben. Die interimistisch genutzten Flächen können dann geräumt und die Containeranlage an der Talstraße rückgebaut werden.
Nach knapp vier Jahren Bauphase und 18 Millionen investierten Euro ist der Justizstandort Böblingen „fit für die Zukunft“. So zumindest schließt das Ludwigsburger Amt für Vermögen und Bau Baden-Württemberg seinen Bericht.
Damals und heute
Energie
Das Bestandsgebäude des Amtsgerichts stammt aus dem Jahr 1964 und muss nun an die geänderten Bedürfnisse angepasst und energetisch saniert werden. Bestandsbau und Erweiterungsbau werden nach dem Umbau energetisch auf dem neusten Stand sein und leisten mit einer großen Photovoltaikanlage einen Beitrag zur Zielsetzung einer klimaneutralen Landesverwaltung.
Ortswechsel
Das Amtsgericht Böblingen hat eine lange Tradition. Möglicherweise tagte es im 19. Jahrhundert im Verwaltungsgebäude des Oberamts und zog später, als es zu eng wurde, auf den Schlossberg um. Dort steht heute noch das Gebäude, das den Namen Altes Amtsgericht trägt und ein Ort für Kulturveranstaltungen geworden ist. In den heutigen Galerieräumen war einst das Gerichtsgefängnis. Auch dieses Gebäude wurde bald zu klein. 1964 zog das Gericht in einen Neubau in die Steinbeisstraße 7 um.