Die Ermittler fanden beim Angeklagten rund 17 000 illegale Dateien. Foto: dpa-Zentralbild

Das Amtsgericht verurteilt einen Sindelfinger wegen Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie zu einer Bewährungsstrafe.

Böblingen - Das hohe Gericht, namentlich der Amtsrichter Horst Vieweg, verzichtet dankbar darauf, das Beweismaterial zu würdigen. „Ich möchte mir ersparen, die Videos oder DVDs über unseren Rechner laufen zu lassen“, sagt Vieweg. Der Angeklagte hat gestanden. Die Arbeit der Ermittler und Staatsanwälte war gewiss kein Vergnügen. Auf der Anklagebank sitzt ein Mechaniker aus Sindelfingen, auf dessen Rechnern die Polizei mehr als 17 000 kinder- und jugendpornografische Dateien fand. Deren Namen sagen selbst Phantasielosen genug über den Inhalt. In einer Tageszeitung sind sie nicht zitierbar.

Die umfangreichste Datei war ein Video, eine Stunde und 41 Minuten lang. Sie zeigen „mehr als anderthalb Stunden Tortur“. So schätzt es der Richter ein. Der Kameramann filmte ein nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft zehnjähriges Mädchen beim Sex mit Erwachsenen in allen erdenklichen Spiel- und Abarten. „Sonst haben wir hier kleine Bildchen, die sind schon eklig“, sagte Vieweg. „So heftig habe ich es zumindest in meiner Karriere noch nicht erlebt.“

Der Angeklagte war bemerkenswert naiv im Umgang mit dem Internet

Nebenbei offenbart dieses Verfahren eine bemerkenswerte Naivität des Angeklagten im Umgang mit dem Internet. Jenes Video hatte er mit Hilfe der rechtlich umstrittenen Software E-Donkey 2000 heruntergeladen und der Internetgemeinde frei zur Verfügung gestellt. Ob anderen der Zugriff auf die eigenen Dateien erlaubt ist, können E-Donkey-Nutzer selbst entscheiden. Die Kriminalpolizei vollzog mühelos nach, dass der Angeklagte mit dem Herunterladen der Daten am 12. Juli 2015 um 3.20 Uhr in seiner Wohnung begann.

Der Mann ist Familienvater. Seine Tochter ist 15 Jahre alt, seine beiden Söhne, Zwillinge, sechs Jahre. Mit seiner Ehefrau „bin ich noch zusammen“, sagt der Angeklagte. Sie weiß, was ihrem Mann vorgeworfen wird – zwangsläufig. Am 15. Oktober 2015 stand die Polizei vor der Tür. Die Beamten beschlagnahmten CDs, USB-Sticks, Rechner, Festplatten. Auf allen fanden sich Pornos mit Minderjährigen, Mädchen wie Jungen, auf etwa der Hälfte waren die Darsteller laut Staatsanwaltschaft als Kinder einzustufen, auf der anderen Hälfte als etwa so alt wie die Tochter des Angeklagten. „Es wurde wahnsinnig viel beschlagnahmt“, sagt Vieweg. „Eine solche Zahl von Festplatten hat normalerweise kein Haushalt.“

Der Verteidiger beklagt vergleichsweise harte Urteile in Böblingen

Dies sieht der Mannheimer Rechtsanwalt Steffen Lindberg anders. „Ich vertrete zahlreiche Fälle quer durch die Republik“, sagt er. Bei anderen seiner Mandanten habe die Polizei eine sechsstellige Zahl von Dateien gefunden, bei manchem mehr als eine Million. Solche Fälle seien „im Binnenverhältnis“ beim Urteil zu berücksichtigen. Im deutschlandweiten Vergleich urteile das Amtsgericht Böblingen härter als die Kollegen andernorts. „Ich gebe zu Bedenken, dass vor der letzten Gesetzesänderung im Februar 2015 die Höchststrafe noch bei zwei Jahren lag, wie bei der Beleidigung“, sagt Lindberg.

Ein Jahr Bewährungsstrafe und die Auflage einer Therapie hält der Verteidiger für angemessen. Zwei Jahre, ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung, beantragt der Staatsanwalt, plus einer Geldstrafe von 7600 Euro. Dies entspricht zwei Monatsgehältern des Angeklagten. Bis zu fünf Jahre Haft sieht das Strafgesetzbuch für den Besitz von Kinderpornografie vor, drei Jahre für deren Verbreitung. Womit „wir weit unter der Höchstgrenze bleiben“, sagt Vieweg. Ein Jahr und acht Monate Haft zur Bewährung lautet sein Urteil, plus 4000 Euro Geldstrafe. Ein Bewährungshelfer soll den Angeklagten überwachen, eine Therapie ist ebenfalls Pflicht, sagt der Richter, „obwohl ich meine Zweifel habe, dass eine solche Art der Perversion therapierbar ist“.