Seinen Wechsel zur CDU fand der damalige Grünen-Politiker Michael Jacobi nicht überraschend, seine Wähler hingegen nahmen es ihm übel. Foto: Martin Stollberg

Der Bietigheimer Michael Jacobi hat einst zu den größten Talenten der Grünen gehört. Im Herbst 2007 wechselte er zur CDU und beendete damit ungewollt seine politische Karriere.

Bietigheim-Bissingen - Die Zeiten, in denen der Name Michael Jacobi in den Medien auftauchte, sind eigentlich vorbei. Inzwischen ist er froh darüber. Jacobi hat eher kein Interesse an einem Treffen. Aber er denke darüber nach, sagt er. Er werde sich melden. Nach drei Tagen der Anruf: „Okay, ich mache mit.“ Woher der Sinneswandel? „Ich habe noch etwas zu sagen.“

Michael Jacobi ist der Mann, der es für die Grünen in den Landtag schaffte, als die Partei für viele noch einen Exotenstatus hatte. Später zog er mit Fritz Kuhn in den Wahlkampf, um Erwin Teufel vom Thron zu stoßen. Und er kritisierte die Regierung, die letztlich doch stets von der CDU dominiert wurde. Heute könnte Michael Jacobi selbst mit an den Machtstellen sitzen. Aber Michael Jacobi ist der Mann, der zur CDU rübergemacht hat. Deshalb sitzt er jetzt nicht mal mehr im Gemeinderat seiner geliebten Heimatstadt Bietigheim-Bissingen, deren Oberbürgermeister er sogar mal werden wollte.

Den Wechsel vollzog er vor gut fünf Jahren. Das, was dann passierte, ist einer der Gründe, warum Jacobi inzwischen zurückgezogen lebt. Der andere Grund hat mit seiner Frau zu tun, mit Heike Dederer. Auch sie ist von den Grünen zur CDU übergelaufen. Die Reaktionen waren ebenfalls heftig. Sie haben auch Jacobi verletzt. „Politik kann sehr bitter sein“, hat er gelernt.

Sein Auftreten gilt als smart und ambitioniert

Michael Jacobi ist 27, als er das erste Mal für den Landtag kandidiert. Er studiert noch in Heidelberg Politikwissenschaft und Germanistik und sitzt bereits seit vier Jahren für die Grün-Alternative Liste im Bietigheimer Gemeinderat. Mit dem Satz „Wir Grünen müssen sachlich und realistisch für unsere Ideen werben, dann können wir für gesellschaftliche Veränderungen sorgen“, wirbt der Youngster für sich.

Am 7. Juni 1988 beginnt Michael Jacobi, mit elf weiteren Grünen in Stuttgart dafür zu arbeiten. Sein Auftreten gilt als smart und ambitioniert. Jacobi bringt es zum stellvertretenden Fraktionschef im Landtag und zum parlamentarischen Geschäftsführer. Er engagiert sich für ein Haus der Geschichte und gegen eine Mülldeponie in Großbottwar. Die SPD der Großen Koalition nennt er „eine einzige Enttäuschung“, und die Schwarzen von der CDU sind für ihn „Reformverweigerer“.

Am nachhaltigsten beeindruckt den Politikwissenschaftler der ständige Perspektivwechsel. Wenn man mit so vielen Menschen in so vielen Situationen wie in der Politik zu tun habe, merke man: „Jeder hat aus seiner Sicht gute Gründe für seine Meinung.“ Man könne seine eigene Meinung nicht absolut setzen.

Böse Gerüchte

2001 zieht er sich aus dem Landtag zurück. Jacobi ist 40 und will nicht abhängig werden von der Politik. Bei einem Bietigheimer Unternehmen für Computerzubehör leitet er die Marketingabteilung. Die Grünen in seinem Wahlkreis stellen statt ihm seine Frau Heike Dederer auf. Das Mandat bleibt in der Familie.

Jacobi und Dederer sind ein Paradepaar. Er drahtig, eloquent, beflissen. Sie die herzlich wirkende Finanzwirtin, die sich nicht zu fein ist, volkstümlich zu musizieren. Birkenstocks, Strickpullis, Müsliriegel – Fehlanzeige. Dafür gepflegte Auftritte in Stadt, Kreis und Land und engagierte Arbeit im Gemeinderat.

Michael und Heike lernen sich 1990 im Kino kennen. Ein Freund macht sie bekannt. Die Trauung der beiden Stadträte zehn Jahre später nimmt der Oberbürgermeister persönlich vor – in einem Kino. Das perfekte Paar findet das perfekte Glück. Verdächtig perfekt?

Bis heute hält sich das Gerücht, die Eheleute hätten ihr Haus in einem Naturschutzgebiet errichtet und die Genehmigung dafür wegen ihrer Verbindungen bekommen. Nichts davon ist wahr. Aber das, erzählt Jacobi, habe den Anonymus nicht interessiert, der entsprechende Flugblätter verteilte. „Wenn Ihnen jemand übel nachreden will, haben Sie keine Chance“, sagt Jacobi heute, der noch viel Übleres erlebt hat.

Unappetitliche Geschichten

Er soll der gehörnte Ehemann gewesen sein. Seine Frau habe eine Affäre mit Moritz Hunzinger, hieß es. Warum sonst hätte sie dem PR-Berater 2004 verbotenerweise ein Protokoll aus dem Flowtex-Untersuchungsausschuss zuschieben sollen? Dederer habe ihren Mann auch mit Günther Oettinger betrogen – angeblich. Ohne persönlichen Grund hätte der Ministerpräsident die Neue 2006 wohl kaum zur Leiterin einer neuen Projektgruppe im Staatsministerium gemacht. So redeten die Leute, sogar wenn Jacobi in Hörweite war. Als ob sie es wüssten.

Dass diese Frau keine Moral habe und für ihre Karriere zu allem bereit sei, wurde im Landtag kolportiert, seit sie 2005 mitsamt ihrem Mandat von der grünen zur schwarzen Fraktion übergelaufen war. Und als sie 2008 ausgerechnet Pressesprecherin von Roland Kochs zackiger CDU in Hessen wurde, war das Bild runder als zwei Kreise zusammen. „Dort gibt es bestimmt auch ein paar Liebhaber“, sagt Michael Jacobi. Er macht Witze. Er kennt die Wahrheit. Die unappetitlichen Geschichten seien frei erfunden, sagt der Ehemann: „Wir sind glücklich verheiratet.“ Wenn solche Gerüchte erst mal im Umlauf seien, sei man machtlos.

Im Herbst 2007 wechselt auch er die Fronten. Nach 23 Jahren verlässt der Fraktionschef im Bietigheimer Gemeinderat seine Grünen, nimmt sein Mandat mit und stimmt von nun an mit der CDU. Es sei bemerkenswert, wie sich die Christdemokraten ökologischen Themen zugewendet hätten, erklärt Jacobi damals. Außerdem könne er beim Thema Stuttgart 21 den grünen Kurs nicht länger mittragen. Und seit seine Frau die Partei verlassen habe, sei auch das Verhältnis zwischen ihm und den anderen grünen Ratsmitgliedern deutlich abgekühlt. „Die meisten Leute wird mein Wechsel kaum überraschen, weil ich für viele schon immer ein halber Schwarzer war“, prophezeit der frisch gekürte ganze Schwarze bei der Pressekonferenz. Überrascht ist dann er selbst: über die Reaktionen.

Heftige Angriffe

Michael Jacobi berichtet von zerkratzten Autos und einem Schuss auf sein Haus. Insgesamt sieben Mal hätten Unbekannte seinen Wagen und den seiner Frau beschädigt. Und eines nachts habe jemand mutmaßlich mit einem Kleinkaliber auf eine Glasfront im ersten Stock gezielt. Es gab nur Sachschaden, „aber so etwas trifft einen ins Mark“, sagt Jacobi, der bis heute nicht weiß, wer hinter den Angriffen steckte. Die Polizei habe niemanden ermitteln können.

Und dann war da noch das Ende als Stadtrat. Der Politprofi hat immer geglaubt, er werde als Person gewählt. Bei den Kommunalwahlen im Juni 2009 lernt er: Er wurde auch als Grüner gewählt. Doch viele seiner einstigen Anhänger haben ihm seinen Wechsel mitten in der Legislaturperiode nicht verziehen. „Das ist, wie wenn man plötzlich die Kündigung kriegt“, sagt Jacobi und dass er daran eine Weile zu knabbern gehabt habe.

Michael Jacobi ist jetzt 52. Er hat eine kleine Marketingfirma, die Onlineshops berät. Im Vorstand des Bietigheimer CDU-Stadtverbands verantwortete er bis vor Kurzem den „Kurier“. Das kostenlos verteilte Parteiblättchen verstand sich als „Ergänzung zur einseitigen Lokalzeitung“ und wollte der Stadtverwaltung bei diversen Themen Beine machen. Doch das Geld wurde knapp und der „Kurier“ eingestellt. Bleibt mehr Zeit zum Rennradfahren.

Wenn Jacobi gut drauf ist, radelt er sogar nach Wiesbaden zu seiner Frau. Heike Dederer ist inzwischen Protokollchefin des hessischen Landtags. Das Paar pendelt.

Forelle zum Abendessen

Wäre Michael Jacobi bei den Grünen geblieben, könnte er heute vielleicht Minister oder Staatssekretär sein. Fuchst ihn das? „Diese Frage ist hypothetisch.“

Wie fühlte sich der Abtrünnige, als die Grünen die Regierung übernahmen? „Es ist gut für die Demokratie und für Baden-Württemberg, dass ein Regierungswechsel möglich ist.“

Hat er seinen Wechsel bereut? „Nicht einen einzigen Tag. Aber ich würde ihn anders angehen.“ Er würde sein grünes Mandat zurückgeben, bis zur nächsten Wahl pausieren und dann als Schwarzer antreten.

Das Handy klingelt. Heike Dederer fragt, was sie zum Essen aus Wiesbaden mitbringen soll. Jacobi bestellt Forelle. Am Abend kocht er. „Mir geht es gut.“ Das ist es, was Jacobi zu sagen hat.