Ein Zweitklässler füllt sein Arbeitsblatt aus. Foto: dpa/Sven Hoppe

Baden-Württemberg hat besonders viele kleine Schulen. Angesichts des Lehrermangels raten Experten in solcher Lage zur Fusion. Wie Städte und Gemeinden im Land das sehen.

Nach Einschätzung des baden-württembergischen Städtetags wird es auch in Zukunft zu Schulfusionen im Südwesten kommen müssen. „Niemand schließt gerne Schulen“, erklärte Norbert Brugger, der Bildungsdezernent des kommunalen Spitzenverbands, auf Anfrage. „Die Veränderungen in der Schullandschaft und die Veränderung von Schülerströmen zwingen die Städte dazu“, sagte Brugger. In der Vergangenheit hätten Städte im Land etwa mit der Schließung von Hauptschulen bereits auf Veränderungen bei der Schulwahl reagiert. Wenn die Schülerzahlen zu gering würden, seien Schulschließungen aber notwendig, „um das System insgesamt finanzierbar und funktionsfähig zu halten“.

Mehrere Standorte unter dem Dach einer Grundschule?

Der Lehrermangel und die gesunkene Schülerzahl machen aus Bruggers Sicht die Weiterentwicklung der Schullandschaft notwendig. „Es gibt viel zu wenig Lehrkräfte, und diese Kräfte müssen daher so eingesetzt werden, dass der Bildungsanspruch der Kinder erfüllt wird“, betonte er. „Neben der Auflösung von sehr kleinen Schulen ist dabei auch die Bildung von Zweckverbänden durch mehrere kommunale Schulträger denkbar, um eine Grundschule an mehreren Standorten gemeinsam zu führen.“ Brugger zeigte sich offen dafür, im Rahmen der Gespräche über eine neue Schulträgerschaft, die die Koalition beschlossen hat, auch über „die generelle Optimierung der Schulstruktur“ im Land zu reden. Damit reagierte der Bildungsexperte des Städtetags auf den Bericht unserer Redaktion über die im Bundesvergleich besonders reich bestückte und kleinteilige Schulstruktur im Land.

Im Schnitt hat eine Schule im Südwesten laut den Daten des Statistischen Bundesamts 226 Schüler, bundesweit sind es 269. Während im Land 159 Schüler eine Grundschule besuchen, sind es bundesweit 196. Auf jeder Haupt- und Werkrealschule sind hierzulande 164 (Bundesdurchschnitt: 191) Kinder und Jugendliche. Ein Gymnasium im Südwesten hat 692 (754) und eine Gemeinschaftsschule ab der fünften Klasse 161 (550) Schüler. Nur die Realschulen liegen mit 478 Schülern im Mittel der Länder, in denen es diese Schulart noch gibt (475).

Einschließlich der Förderschulen hat im Land jede vierte allgemeinbildende, öffentliche Schule weniger als 100 Schüler. Das Gros (776) sind Grundschulen. Im Kampf gegen den Lehrermangel hat die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) im Interesse einer ausgewogeneren Unterrichtsversorgung die Fusion kleinerer Schulen empfohlen. Den Fokus legt der Vorsitzende der SWK, Olaf Köller, dabei auf weiterführende Schulen.

Gemeinden sehen Schule als Standortfaktor

Der Gemeindetag reagierte verhalten auf das Thema Schulfusion. Die „sehr gleichmäßige Verteilung der Bildungsinfrastruktur“ in Baden-Württemberg gilt dem Verband, der Sprachrohr der kleineren Gemeinden ist, als Standortfaktor, der die volkswirtschaftliche Stärke des Landes in der Fläche mit gewährleistet. „Wir können den bestehenden Lehrermangel nicht verkennen“, heißt es auf Anfrage. „Zugleich sind Schulen, insbesondere Grundschulen, auch wichtige Standortfaktoren, wenn es um die Gewinnung von Fachkräften und damit die starke volkswirtschaftliche Wertschöpfung in der Fläche geht.“ Bei einer Debatte über Schulfusionen müsse „die gesamte Wirkungskette“ beleuchtet werden, so der Verband. Dies gelte umso mehr, als auch die Bildungsforschung bei Grundschulen den Leitsatz „kurze Beine, kurze Wege“ befürworte. Einfache Antworten gebe es auf diese komplexe Frage nicht.