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Begeisterndes Konzert der Bietigheimer Band vor 17.500 Fans - Erlös an karitative Einrichtungen.

Bietigheim-Bissingen - Es gibt kaum Dinge, die dem ohrenbetäubenden Lärm eines vorbeifahrenden Güterzugs etwas entgegensetzen können. Am Samstagabend gab es aber etwas: Die Popgruppe Pur und 17.500 Fans waren lauter als die Züge auf dem nahe gelegenen Eisenbahnviadukt.

Scheinbar lautlos glitten lange Güterzüge über die von Scheinwerfern angestrahlte Brücke, als Hartmut Engler seine Hymne an die Kindheitsträume "Wo sind all die Indianer hin?" anstimmte und Tausende mitsangen. Die Band feierte ihren 30. Geburtstag mit einem Benefizkonzert unter dem Titel "Wir wollen helfen". Und das nur einen Steinwurf entfernt von dem Ort, an dem die Gruppe gegründet wurde. Pur entstanden einst aus einer Schülerband des Ellentalgymnasiums in Bietigheim-Bissingen unter dem Namen "Crusade". Die meisten sind freilich nicht mehr dabei: Von den allerersten Mitgliedern spielt heute nur noch Ingo Reidl bei Pur. Ein weiterer Pionier, Roland Bless, arbeitet seit 2010 als Solokünstler.

Doch auch der Frontmann Hartmut Engler war nur kurze Zeit nach der Gründung dazugekommen und hatte der Gruppe aus dem Kreis Ludwigsburg ein Gesicht gegeben. Engler bezeichnet sich scherzhaft selbst als "der Mann mit der krummen Nase". Pur gewannen insgesamt viermal den Deutschen Musikpreis Echo und zahlreiche andere Auszeichnungen und gehören damit zu einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Popgruppen.

Die Liedtexte spielen häufig soziale Themen an, die aus dem realen Leben der Künstler stammen. Hartmut Engler widmet seine Lieder oft Menschen, die ihm persönlich nahestehen, wie zum Beispiel seinem behinderten Freund Rüdi oder der demenzkranken Frau Schneider. Der neueste Song von Pur heißt "Der Trick dabei" und ist ein nachdenkliches Lied über die Vergänglichkeit und ein leidenschaftlicher Appell, den Augenblick zu genießen.

Der Festplatz am Eisenbahnviadukt, der auch als Schauplatz des jährlich stattfindenden Pferdemarkts dient, war am Samstagabend voller Menschen. Das Open-Air-Konzert war ausverkauft. Zahlreiche behinderte Menschen erhielten ermäßigten Eintritt, ihre Begleitpersonen durften das Konzertgelände umsonst betreten.

Der Erlös geht an karitative Einrichtungen in Bietigheim und der Region. Darunter auch die Kinderhilfsaktion Herzensache des Südwestdeutschen Rundfunks. Die Unkosten wurden von ortsansässigen Sponsoren wie der Bietigheimer Wohnbau und anderen lokalen Unternehmen gedeckt.

Oberbürgermeister Jürgen Kessing nahm noch am Abend symbolisch einen Scheck über 210 000 Euro in Empfang. Er lobte das Engagement der Band, die sich bereits zum zweiten Mal für ein Benefizkonzert in ihrer Heimatstadt bereitgefunden hatte. Insgesamt konnten so über eine halbe Million Euro eingespielt werden. Neben den Hits aus 30 Jahren Bandgeschichte spielte die Gruppe auch gemeinsam mit der A-cappella-Gruppe Füenf und dem befreundeten Künstler Heinz Rudolf Kunze einige eigens für das Jubiläumskonzert arrangierte Songs. Als Vorgruppen traten außerdem die Newcomer-Band Experience und die Brenz-Band auf - eine Gruppe, die aus behinderten Künstlern besteht.

Im Frühjahr dieses Jahres war Pur bereits auf Jubiläumstour durch ganz Deutschland unterwegs gewesen. Sie hatten die Lieder dafür neu arrangiert und unplugged, also nur mit akustischen Instrumenten, gespielt. Beim Jubiläumskonzert in Bietigheim waren die E-Gitarren jedoch wieder mit auf der Bühne.

Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen könnten sich die Bietigheimer beim 650-Jahr- Jubiläum der Stadtrechte von Bietigheim im Jahr 2014 machen. Hartmut Engler sagte am Samstag: "Da sind wir wieder dabei." Den furiosen Abschluss des Konzerts bildete ein Feuerwerk bei fast sternenklarem Himmel.