Marc-Oliver Boger zeigt einen echten Kujau Foto: Jan Reich

Er war ein Schwindler, ein Hallodri und ein Fälscher. Konrad Kujau hatte dem „Stern“ einst Hitlers Tagebücher verkauft. Nun will Marc-Oliver Boger in Bietigheim-Bissingen ein Museum eröffnen.

Bietigheim-Bissingen - Adolf Hitler hat schlecht geschlafen und ist mit starken Schmerzen in der Brust aufgewacht. Er fürchtet: „Es wird doch nicht die Grippe sein.“ Es ist der letzte Eintrag in seinem angeblichen Tagebuch. Wir blättern darin in der Wohnung des Antiquitätenhändlers Marc-Oliver Boger (37) in Bietigheim-Bissingen. Boger sammelt Kujaus aller Art. Es gab nichts, was der gebürtige Sachse nicht gefälscht hat, Gemälde, Zeichnungen, Handschriften, auch eine Luther-Bibel hat er gebastelt. Dafür kaufte Kujau eine Bibel aus dem 16. Jahrhundert und schrieb in Luthers Handschrift hinein. Fertig war die „echte“ Luther-Bibel. Dumm nur, dass sie erst nach Luthers Tod gedruckt worden war, doch den Käufer focht das nicht an.

Sein Meisterstück machte Kujau mit den Hitler-Tagebüchern. Am 25. April 1983 präsentierten Manager des „Stern“ die Tagebücher und trompeteten, die Geschichte des Dritten Reichs müsste neu geschrieben werden. Nun war es aber so, dass Kujau in seiner Dachkammer in Ditzingen die Geschichte des Dritten Reichs neu geschrieben hatte, auf DDR-Papier, dass er zuvor im Backofen braun geröstet hatte. Er fabulierte über Hitlers Mundgeruch, des Führers Blähungen und seine Angst vor der Grippe. Dass die Initialen auf den Kladden FH hießen statt AH, und dass sie aus Plastik waren, störte beim „Stern“ niemanden. Am 13. Mai titelten die „Stuttgarter Nachrichten“: „Kujau hat die Hitler-Tagebücher verfasst.“ Redakteur Klaus-Ulrich Moeller hatte in der Altstadt Kujaus Spur aufgenommen, der Schampus eimerweise spendiert und den Taxifahrern druckfrische Hunderter als Trinkgeld in die Hand gedrückt hatte. Angeblich flossen neun Millionen Mark. Wo die geblieben sind, ließ sich auch beim Prozess nicht klären.

Kujau saß drei Jahre im Gefängnis, eröffnete hernach im Stuttgarter Süden seine Galerie der Fälschungen sowie die Kneipe Alt-Heslach. Der Film „Schtonk“ von Helmut Dietl über das Gaunerstück machte ihn dann vollends berühmt. Fortan war ein echter Kujau ein Markenzeichen und bares Geld wert. Er lebte in Bissingen, wo ihm Anfang der 90er Jahre der Schüler Marc-Oliver Bogner begegnete. „Ich wollte Kujau für eine Veranstaltung gewinnen“, erinnert sich Boger, „er war bekannt im Ort und seine Geschichte hat mich fasziniert.“ Man blieb in Kontakt und nach Kujaus Tod, er starb 2002 mit 62 Jahren an Krebs, begann Boger die Werke von Kujau zu sammeln.

Was gar nicht so einfach war. denn der Meisterfälscher wird selbst gefälscht. Seine Nichte Petra Kujau etwa wurde in Dresden zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, weil sie im großen Stil Kujaus nachmachte und für mehrere tausend Euro verkaufte „Am Anfang bin ich einige Male danebengelegen“, sagt Boger, „aber mittlerweile erkenne ich einen echten Kujau. Gemälde sowieso, aber auch die Handschriften.“ Darin war Kujau ein Experte, sogar das Landgericht bestellte ihn hin und wieder als Gutachter. „Seine Schrift hat immer ein bissel mehr Schwung.“ Egal ob er als Hitler, Himmler, Mielke, Göring, August der Starke oder Luther schrieb.

Etwa 60 Gemälde hat Bogner gesammelt, unzählige Handschriften, Karikaturen, ein e Abschrift der Tagebücher hat er, wo die „Stern“-Spitze in Druckschrift lesen konnte, was der Führer Kujau gedichtet hatte, ein Tagebuch, in dem Kujau geübt hatte, und Kujaus Polizeiakte. Wer darin blättert, merkt schnell, was für ein Kleinganove Kujau war. Und dass seine wahre Biographie sich erheblich von der unterscheidet, die im Internetlexikon Wikipedia steht. Da war Kujau ein Student an der Kunstakademie, der stets als Künstler arbeitete.

Die Wirklichkeit war eine andere. In Sachsen geboren, kam er Ende der 50er Jahre in den Westen, arbeitete als Fahrer und schlug sich mit Gaunereien durch. Er klaute Schnaps und Zigaretten, haute als Kellner in der Wulle-Gaststätte die Gäste übers Ohr, bedrohte in der Bar „Balzac“ die Nachtschwärmer mit einer Maschinenpistole, nannte sich Konrad Fischer oder Dr. Peter Fischer, und wieso er einen Doktortitel führte, erklärte er so: „Ich muss hierzu erwähnen, dass ich die Ehrendoktor-Urkunde von der Uni Tokio im Jahre 1977 erhalten habe. Auf der Urkunde steht zwar die Jahreszahl 1952. In Tokio entspricht das Jahr 1952 dem Jahr 1977.“

Seine Sammlung möchte Boger gerne zeigen. In einem Museum samt Galerie. Auch beim Haus der Geschichte in Stuttgart hat er schon um Hilfe nachgefragt. Allerdings fehlen ihm noch die Räume. „Ich bin auf der Suche“, sagt Boger, „am besten wäre es in Bietigheim oder in Stuttgart.“ Dort, wo der Kujau noch ein Begriff ist. Und wo man einen Mann näherkommen möchte, der von sich selbst sagte: „Mozart musste 200 Jahre warten, bis sein Leben verfilmt wurde.“