Das Adjektiv „ausländisch“ wird bei den sachkundigen Bürgern getilgt. Damit ist nur eine Forderung erfüllt.
Stuttgart - Anastasia Schmid hat sich unbürokratisch geholfen. Sie hat einen Stift genommen und das Wort „ausländisches“ vor „Mitglied des Bezirksbeirats“ auf ihrem Namensschild durchgestrichen. Das war vergangenen Sommer. Damit war die Griechin, die den Plieninger Bezirksbeirat seit 2008 berät, ihrer Zeit voraus. Denn amtlich ist die Tilgung des Adjektivs „ausländisch“ erst seit Kurzem. Mitte Mai haben die Stadträte ebendies beschlossen.
Auslöser für diese Entscheidung war ein Antrag des Internationalen Ausschusses im vergangenen Sommer – eben zu jener Zeit, als Anastasia Schmid ihren Stift sprechen ließ. Den Internationalen Ausschuss gibt es seit dem Jahr 2000, er berät die Ratsfraktionen, hat allerdings keine Beschlusskraft. Die Mitglieder des Gremiums hatten damals gefordert, dass die Sachkundigen in den Bezirksbeiräten künftig nur noch Sachkundige sind – ob sie nun ausländische Wurzeln haben oder nicht. Künftig soll das Wissen zählen, nicht die Herkunft. Etwa die Hälfte der Betroffenen haben eh einen deutschen Pass. „Das Wort ausländisch ist alt“, sagt die Plieningerin Schmid. „Man benutzt es nicht mehr.“ Die 57-Jährige ist Griechin, „aber ich bin eigentlich eher eine Schwäbin“, sagt sie, „und ich habe daheim drei Männer mit deutschem Pass“.
Beraten statt abstimmen
Beraten statt abstimmen
Seit den 1980er Jahren sitzen in den Bezirksbeiräten sachkundige Bürger, die bisher mit dem Zusatz „ausländisch“ beschrieben worden sind. In jedem lokalpolitischen Gremium gibt es einen Sitz. Der Internationale Ausschuss schlägt die Abgesandten vor, bestellt werden sie vom Gemeinderat. In Degerloch ist dies Federico Rapino, in Birkach Mehmet Bozdemir, in Sillenbuch heißt der Sachkundige im Bezirksbeirat Hubert Agyemang und in Plieningen eben Anastasia Schmid.
Die Bezirksbeiräte können sich bei Fragen an die Sachkundigen wenden; Anastasia Schmid und ihre Pendants in den anderen Bezirken können aber auch selbst das Wort ergreifen. Eine entscheidende Handlung ist ihnen allerdings verwehrt: Bei Abstimmungen dürfen sie die Hand nicht heben. Und das bleibt auch weiterhin so.
„Wir bleiben außen vor“
Dabei hatte der Internationale Ausschuss in seinem Antrag 2012 nicht nur die Umbenennung der Sachkundigen gefordert. Sie sollten zudem Stimmrecht bekommen. Die Stadträte sind aber der Empfehlung der Verwaltung gefolgt. Der Grund: um Anastasia Schmid und den anderen Stimmrecht zu verschaffen, müsste die Gemeindeordnung Baden-Württemberg geändert werden. Dort steht im Paragraf 65, dass die sachkundigen Einwohner eine beratende Funktion haben. „Eine beratende Mitgliedschaft der sachkundigen Einwohnerinnen und Einwohner in den Bezirksbeiräten schließt laut Hauptsatzung in Übereinstimmung mit den Regelungen der Gemeindeordnung ein Stimmrecht aus“, steht in der Vorlage der Verwaltung.
„Wir bleiben außen vor“
Anastasia Schmid ist enttäuscht. „Einerseits wird die Integration großgeschrieben“, sagt sie, „andererseits bleiben wir außen vor“. Auch wenn der Gemeinderat nun so entschieden hat, Schmid will weiter fürs Stimmrecht kämpfen. Sie will mit anderen Sachkundigen einen eigenen Antrag schreiben. „Wir haben ja inzwischen neue Konstellationen im Rathaus“, sagt sie. Ein zweiter Weg zur Stimme wäre, Bezirksbeirätin zu werden. „Das habe ich mir auch schon überlegt“, sagt Schmid. „Aber es kommt für mich zurzeit nicht infrage.“