Viel Arbeit und zu wenig Anerkennung schrecken Lehrer vom Rektorenposten ab Foto: dpa

270 bis 330 Schulleiterstellen sind jährlich in Baden-Württemberg zu besetzen. Doch die Zahl der Bewerber hält sich in Grenzen. Im Schnitt sind es weniger als zwei pro Stelle.

Stuttgart - Sie habe leider gerade keine Zeit für ein längeres Gespräch, entschuldigt sich die Schulleiterin. Sie müsse unbedingt noch die Schulstatistik fertigstellen. Jedes Jahr im Herbst müssen die Schulen dem Statistischen Landesamt melden, wie viele Schüler in den einzelnen Klassen sitzen, wie viele Lehrer wie viele Stunden unterrichten und noch einiges mehr. Das ist nur eine der zahlreichen, für die Öffentlichkeit oft unsichtbaren Aufgaben, die Schulleitungen zu erledigen haben. An kleinen Schulen bleiben sie meist an den Rektoren selbst hängen.

Die umfangreiche Verwaltungsarbeit dürfte einer der Gründe sein, warum anders als in der Wirtschaft die Chefposten in den Schulen so wenig gefragt sind. Nach Angaben des Kultusministeriums in Stuttgart bewerben sich im Durchschnitt zwei Personen auf eine freie Direktorenstelle an einem Gymnasium. Bei den beruflichen Schulen sind es im Durchschnitt 1,5 Kandidaten, an den anderen Schularten 1,3.

Manchmal können Stellen erst nach einem Jahr besetzt werden

Im Klartext heißt das: vielerorts gibt es keine Wahlmöglichkeit, weil nur eine Bewerbung vorliegt. Das trifft am stärksten Schulen in ländlichen Regionen, die sich auch mit der Lehrersuche schwerer tun. Doch auch in Stuttgart kann es mitunter mehr als ein Jahr dauern, bis ein neuer Schulleiter gefunden ist. Stellvertreter sind ebenfalls rar.

Die Gründe sind vielfältig. Die Rolle der Schulleiter ist schwierig. Lange verstanden sich diese als primus inter pares, erster unter Ihresgleichen, heute müssen sie pädagogische Führungskraft und Manager sein. Die Leitung einer größeren Schule sei durchaus mit der Leitung eines mittelständischen Unternehmens vergleichbar, heißt es etwa in einem Bericht des Landesrechnungshofs. In der Bezahlung der Schulleiter spiegelt sich das nicht wieder. An kleinen Grund- und Hauptschulen erhalten Rektoren sogar nur eine kleine Zulage – brutto erhalten sie etwa 100 Euro mehr als das, was Lehrer erhalten, die nur unterrichten. Wer als Lehrer einfach nur gern mehr Geld verdienen würde, schafft das leichter mit einigen Nachhilfestunden denn als Schulleiter.

Auch die Anforderungen sind gewachsen – zum einen, weil die Schulen im vergangenen Jahrzehnt mehr Eigenständigkeit erhalten haben, zum anderen, weil sich der gesellschaftliche Wandel auch in den Schulen niederschlägt. Mit der Einführung der Bildungspläne 2004 etwa sollten die Schulen ein eigenes Schulprofil entwickeln – das hieß erst einmal viel zusätzliche Arbeit in Konferenzen und Kleingruppen. Eigen- und Fremdbewertung sollten den Schulen helfen, besser zu werden. Dass sie einen Teil ihrer Lehrerstellen selbst ausschreiben können, begrüßen viele – aber auch das beansprucht zusätzliche Zeit.

Der Ausbau der Ganztagsschule, die Inklusion von Schülern mit Behinderungen in der Regelschule, Qualitätssicherung, Gewaltprävention, Sicherheits- und Gesundheitsmanagement und vieles mehr bringen ebenfalls zusätzliche Arbeit – dazu kommen noch die steigenden Erwartungen von Eltern. Und bei den Haupt- und Werkrealschulen die Frage nach der Zukunft.

Landesrechnungshof fordert mehr Unterstützung für Rektoren

Als sich Barbara Graf in den 90er Jahren dafür entschied, Direktorin an einem Gymnasium zu werden, hatte sie sich zum Ziel gesetzt, mit ihrem Kollegium Schule so zu gestalten, dass die Schüler gern und erfolgreich lernen und gut aufs Leben vorbereitet werden. Das erfordert allerdings nicht nur pädagogisches Können, sondern auch viel Management. Dafür bräuchten die Schulen noch mehr Unterstützung, sagt Graf, geschäftsführende Schulleiterin der Stuttgarter Gymnasien. Etwa für die Organisation des Mittagessens – mit der Verkürzung der Gymnasialzeit 2004 wurden die Gymnasien faktisch Ganztagsschulen, aber ohne eine entsprechende Infrastruktur. Und für den Ausbau der Studien- und Berufsorientierung – dazu soll jede Schule Kooperationspartner in der Wirtschaft. suchen. Dank Teilzeit und Elternzeit – vermehrt auch für Väter – müssen auch die Stundenpläne immer öfter geändert und angepasst werden.

Solche Aufgaben könnten eigentlich gut Schulassistenten übernehmen. Ein entsprechender Modellversuch vor einigen Jahren wurde von den Beteiligten zwar positiv bewertet – aber dabei blieb es dann auch. Denn bei der Finanzierung klemmt es. Die Kommunen, die dafür zahlen müssten, sind vielerorts schon sehr zurückhaltend, wenn es um Schulsekretärinnen, Hausmeister oder Schulsozialarbeit geht. Bei einer Befragung durch den Landesrechnungshof gab die Hälfte der Schulen an, nicht genügend Stunden für Sekretärinnen zu haben, ein Drittel klagte, dass sie zu wenig Hilfe durch Hausmeister hätten. Viele Schulleiter vermissen auch Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen.

Die hohe Verantwortung und gleichzeitig fehlende Unterstützung und Anerkennung seien der Hauptgrund, warum junge Kollegen zögern, sich als Schulleiter oder erst einmal als Stellvertreter zu bewerben, sagt Renate Schlüter, geschäftsführende Schulleiterin der Grund-, Haupt-/Werkrealschulen und Gemeinschaftsschulen in Stuttgart. Sie selbst hat diesen Schritt nie bereut. Er habe ihr ermöglicht, ihre Schule so weiterzuentwickeln, wie es aus Sicht des Kollegiums für die Schüler am besten ist – 2013 wurde die Elise-von-König-Schule zur ersten Gemeinschaftsschule in Stuttgart. Wichtig sei, Schulleiter gut auf ihre Aufgaben vorzubereiten – und für diese selbst. sich Unterstützung zu holen. Sie hält die monatlichen Fallbesprechungen mit anderen Rektoren für unverzichtbar.

Seit 2009 haben die Schulleitungen etwas mehr Zeit für ihre Aufgaben – an einer Grundschule mit sechs Klassen haben Rektoren acht Stunden wöchentlich Leitungszeit, an einem Gymnasium mit 36 Klassen sind es 40 Stunden. Zu wenig, befindet der Landesrechnungshof. Er fordert, die Verwaltungsaufgaben im Schulbereich zu überprüfen und auf das Notwendigste zu beschränken – und die Schulleitungen besser zu unterstützen , etwa durch Schulassistenten. Das ist bemerkenswert, weil die obersten Finanzkontrolleure des Landes in der Regel Einsparungen an den Schulen verlangen.

Mit der seiner Forderung, wegen sinkender Schülerzahlen 14 000 Lehrerstellen zu streichen, brachte er Grün-Rot 2011 in größte Schwierigkeiten. Als die neue Landesregierung kurz darauf ankündigte, bis 2020 insgesamt 11 600 der rund 100 000 Lehrerstellen zu streichen, verlor sie viel Vertrauen bei Lehrern und Eltern. Im Zuge der damaligen Kürzungsrunden wurden auch gleich Kurse gestrichen, mit denen die Vorgängerregierung Führungsnachwuchs für die Schulen gewinnen wollte.

Das Kultusministerium arbeite an neuen Angeboten, sagte eine Sprecherin. Zudem seien neue Fortbildungskurse für neue ernannte Schulleiter entwickelt worden.