Zuchtkaninchen werden in der Regel in Einzelkäfigen gehalten. Foto: dpa- Zentralbild

Kaninchenzüchter haben es nicht leicht. Traditionell haftet ihnen der Ruf des spießigen Vereinsmeiers an. Doch die meisten Züchter lieben ihr Hobby – und sehen es jetzt bedroht.

Stuttgart/Berlin - Stuttgart - Er gilt als Klassiker für Zeitungspraktikanten: der Besuch beim Jahresfest des Kleintierzuchtvereins. Abgesehen davon, dass es sich dabei um nur eines von vielen Klischees über den Journalisten-beruf handelt, sind solche Termine seltener geworden. Es gibt schlicht immer weniger Vereine, in denen zwischen Obstplantagen und Thuja-Hecken Kaninchen, Tauben oder Zwerghühner gezüchtet werden.

In den vergangenen Jahren ging die Zahl der baden-württembergischen Kaninchen- und Geflügelzüchter um 20 Prozent zurück – auf aktuell noch gut 72.000. Einige Vereine haben sich bereits aufgelöst. Die Gründe liegen auf der Hand: Jugendliche haben heute meist andere Vorstellungen von ihrer Freizeit, als Ställe auszumisten und die Vererbungslehre von Weißen Wienern und Deutschen Riesen zu studieren. Wenn Nachwuchs vorhanden ist, kümmert der sich vielleicht noch um die Tiere und versorgt sie – beim aktiven Züchten ist dann aber oft Schluss.

Dass jemand wie Ulrich Hartmann dies bedauert, ist nicht weiter verwunderlich. Der Alfdorfer ist Erster Vorsitzender des Landesverbands der Rassekaninchenzüchter Württemberg und Hohenzollern und mit Leib und Seele Kaninchenzüchter. „Den Mitgliederschwund kann man nicht wegdiskutieren“, sagt er. Traurige Realität. Etwas dagegen zu tun sei jedoch leichter gesagt als getan. Das Landwirtschaftsministerium empfiehlt mehr Öffentlichkeitsarbeit. Die gibt es freilich, vor allem in Form von Kaninchenschauen, wie jetzt wieder am Wochenende in Ulm. Allein, ob es was hilft?

Novellierung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung geplant

Doch Hartmann will nicht klagen. Das Problem mit dem Nachwuchsmangel hätten andere Vereine auch, meint er. Was ihn vielmehr umtreibt, ist – neben radikalen Tierschützern – die Politik. Genauer: der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Artenschutz. Dieser bereitet für Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) gerade die Novellierung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung vor. Im Kern geht es darum, ähnlich wie bei Hühnern, die Lebensbedingungen von massenhaft in Käfigen gehaltenen Kaninchen zu verbessern.

Ein richtiges Anliegen, stimmt Hartmann dem Tierschutzgedanken zu. Er fürchtet jedoch, dass durch die Gesetzesänderung das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Die Novellierung zielt in erster Linie auf Mastkaninchen. Ihnen soll mehr Platz eingeräumt werden – innerhalb der Massenhaltung. Diese fürchtet Hartmann und der oberste Dachverband, der Zentralverband Deutscher Rassekaninchenzüchter (ZDRK), nun auch für ihre Spezies, die Zuchtkaninchen. „Dabei sind das zwei Paar Stiefel“, erklärt der Züchter. Mastkaninchen würden nur wenige Monate alt. Die Gruppenhaltung sei für sie die geeignetere, da natürlichere Haltungsmethode. So würden die Tiere nicht vereinsamen. Zuchtkaninchen seien hingegen domestiziert, also durch den Menschen an andere Lebensformen angepasst. Heißt: Einzelhaltung ist für Stallhasen die bessere Lebensform.

Zumindest sehen das die Züchter so. Sie berufen sich dabei auf biologische Expertisen. „Tierschutz ist immer ein Kind der Zeit“, meint Ulrich Hartmann. Als deutsche Soldaten das Hobby der Kaninchenzucht nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 aus Frankreich nach Deutschland brachten, war die Gruppenhaltung in großen Käfigen oder auf dem Boden noch üblich. Bis man im Laufe der Zeit zum Einzelstall überging, um Rangkämpfe und ungewollte Schwangerschaften unter den Tieren zu unterbinden. „So wie es heute ist, ist es richtig“, findet der Verbandsvorsitzende. Verbesserte Lebensbedingungen in Mastbetrieben dürften „nicht zum Bumerang für die Rassezucht“ werden.

Für Tierschützer ist die Haltung in Einzelkäfigen nicht artgerecht

Tierschützer sehen das anders. Für sie ist die Haltung in Einzelkäfigen nicht artgerecht – ob für Wild-, Mast- oder Zuchtkaninchen. „Für eine natürliche Bewegung sind mindestens drei aufeinanderfolgende Hoppelsprünge notwendig“, argumentiert Martina Stephany von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Ähnlich wie bei den Legehennen seien Käfige auch für Kaninchen kein geeigneter Lebensraum. Ein Umbau in größere und offener gestaltete Käfige könnte zu einer ähnlichen Misere führen wie jetzt in der Legehennenhaltung. „Mit langen Übergangsfristen wird die Käfighaltung noch Jahrzehnte weiterpraktiziert werden“, klagt die Tierschützerin.

Die Züchter argumentieren dagegen, dass schon kleinere Auflagen und damit verbundene Umbauten die Vereine in (finanzielle) Nöte stürzen würden. Laut einem Bericht des Landwirtschaftsministeriums in Stuttgart sind die Haltungsbedingungen in Nachbarschaft zur Wohnnutzung zuletzt schon erschwert worden. Hartmann: „Die Unruhe in den Verbänden ist groß.“

Immerhin: Der Vorsitzende des zuständigen Bundestagsausschusses, Hans-Michael Goldmann (FDP), lässt auf Anfrage anklingen, dass er zwischen gewerblichen Haltern und Hobbykaninchenzüchtern durchaus zu unterscheiden weiß: „ Wir brauchen jeweils spezifische Anforderungen“, sagt er. Eine Zwangsgruppenhaltung bei der Rassekaninchenzucht sei aus Tierschutzgründen nicht richtig. Landwirtschaftsministerin Aigner sei da einer Meinung.

Für Ulrich Hartmann und seine Mitstreiter mag das fürs Erste eine gute Antwort sein. Sie wollen für ihr geliebtes Hobby weiterkämpfen. Schließlich bedeutet es für sie nicht weniger als ein „kulturelles Erbe“.