Die Betriebsrente soll für ein zusätzliches Polster im Alter sorgen. Doch bei der Auszahlung ärgern sich viele Rentner über die hohen Sozialabgaben Foto: Fotolia

Wohl dem, der zu seiner gesetzlichen Rente noch auf eine Betriebsrente bauen kann. Der Schock kommt für viele zu Beginn des Ruhestands – wenn sie bemerken, wie sehr die gesetzliche Krankenkasse zugreift. Viele Rentner fühlen sich vom Staat abgezockt.

Wohl dem, der zu seiner gesetzlichen Rente noch auf eine Betriebsrente bauen kann. Der Schock kommt für viele zu Beginn des Ruhestands – wenn sie bemerken, wie sehr die gesetzliche Krankenkasse zugreift. Viele Rentner fühlen sich vom Staat abgezockt.

Stuttgart - Hans V. ist froh, dass er im Ruhestand nicht von seiner gesetzlichen Rente allein leben muss. Obwohl er auf ein langes Berufsleben zurückblicken kann und viele Jahre ganz gut verdient hat, bleiben ihm nach seiner Scheidung 1200 Euro Rente. Da tun ihm die 100 000 Euro gut, die ihm aus einer betrieblichen Altersversorgung zufließen, in die er und sein Arbeitgeber zu gleichen Teilen eingezahlt haben. Böse Überraschung: Nach der Auszahlung hält erst einmal die Krankenkasse die Hand auf.

Von den 100 000 Euro muss Hans V. 17 800 Euro als Beitrag in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Nicht auf einmal, sondern verteilt auf zehn Jahre: rund 148 Euro, 120 Monate lang. So ist die Gesetzeslage seit 2004.

Obwohl Hans V. schon seit ein paar Jahren Rentner ist, regt ihn die hohe Belastung seiner Betriebsrente mit Krankenkassenbeiträgen noch immer maßlos auf. „Die Rentner werden ohne Gegenleistung abgezockt“, sagt er.

Bis 2004 zahlten gesetzlich versicherte Betriebsrentner den halben Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung. Seit 1. Januar 2004 ist der volle Beitrag fällig – heute sind das 15,5 Prozent für die Krankenversicherung und bis zu 2,3 Prozent für die Pflegeversicherung – insgesamt bis zu 17,8 Prozent. Fällig ist der volle Betrag bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 4050 Euro im Monat. Bis 2004 galt zudem: Wer seine Betriebsrente auf einen Schlag ausbezahlt bekam, musste gar keine Sozialabgaben zahlen, wenn dies so vereinbart war.

Die Weichen wurden vor gut zehn Jahren gestellt. Damals hatte die gesetzliche Krankenkasse ein Loch zu stopfen, und die Politiker suchten neue Einnahmequellen. Dass die Betriebsrentner belastet werden, sei eine willkürliche Festlegung gewesen, erinnert sich Roland Sing, Vizepräsident des Sozialverbands VdK und Vorsitzender des VdK Baden-Württemberg. „Genauso gut hätten die Politiker eine Steuer auf TV-Geräte einführen können.“ Die Belastung der kleinen Leute werde rücksichtslos durchgezogen.

Nicht verstehen kann Hans V., dass ausgerechnet bei jenen zugelangt wird, die vorgesorgt haben – genauso wie es Politiker seit Jahren predigen. Denn die hohen Kassenbeiträge schmälern die Rendite erheblich. Ohnehin zahlen aus seiner Sicht die Rentner zweimal für Kranken- und Pflegeversicherung. „Ich bin über meine gesetzliche Rente bereits krankenversichert“, sagt er, „warum soll ich zusätzlich zahlen?“ Wäre er privat krankenversichert, müsste er auf seine Betriebsrente nichts zahlen. Das empfindet er als „extrem ungerecht“.

Auf seine Betriebsrente wird mit 148 Euro zudem ein höherer Monatsbeitrag fällig als auf seine gesetzliche Rente, für die er 123 Euro monatlich zahlen muss. Für Hans V. ist das „ein Beitrag zur Altersarmut“. Eine Gegenleistung sei damit nicht verbunden. „Ich zahle für ein Luxusauto und erhalte als Leistung eine Rostlaube“, kritisiert er. Denn viele Leistungen der Krankenkassen, die gerade ältere Menschen in Anspruch nehmen, müssen heute aus der eigenen Tasche bezahlt werden.

Auch Karl M. hat sich „granatenmäßig“ geärgert, als ihn seine Kasse benachrichtigte, dass auf seine ausbezahlte Direktversicherung von 73 000 Euro für die Kranken- und Pflegeversicherung 12 800 Euro abzuführen sind. Monatlich belastet ihn das mit 106 Euro. Geplant hatte er mit dem vollen Betrag. Was ihn besonders wurmt: Die Direktversicherung hat zwar sein Arbeitgeber als Betriebsrente für ihn abgeschlossen. Doch finanziert hat sie Karl M. allein. Im Nachhinein, resümiert der 67-Jährige, wäre es wohl besser gewesen, eine private Lebensversicherung abzuschließen. Da wären bei Auszahlung keine Krankenkassenbeiträge fällig geworden.

Als Hannelore S. in eine Lebensversicherung als betriebliche Altersversorgung einzahlte, war von den hohen Belastungen durch Krankenkassenbeiträge nicht die Rede. Darauf hat das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, das 2004 den vollen Beitragssatz einführte, keine Rücksicht genommen. Eine Übergangsregelung oder Bestandsschutz für bestehende Verträge gibt es nicht, ärgert sich die Rentnerin. Die Spielregeln wurden einfach mittendrin geändert.

Von „unzumutbaren Beitragsbelastungen bei den Rentnern“ spricht Jörg Ungerer, Leiter der Rechtsabteilung vom Sozialverband VdK. Dadurch werde die „Akzeptanz der betrieblichen Altersvorsorge gefährdet“. Besonders betroffen seien jene Rentner, bei denen die Versorgungsbezüge die einzigen Alterseinkünfte oder den Hauptanteil an den Alterseinkünften darstellen.

Die Bundesregierung sollte solche „Fehlanreize“ beseitigen, fordert die Aba, Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung. „Wenn Betriebsrentner zudem doppelt so hohe Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten zahlen wie Arbeitnehmer auf ihren Lohn, darf man sich nicht wundern, wenn gerade Niedrigverdiener die Betriebsrente zu selten zur Vorsorge nutzen“, so Aba-Vorsitzender Heribert Karch. Auch der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht die Bundesregierung am Zug. Sie „muss der betrieblichen Altersversorgung neue Impulse geben“, sagt Hasso Suliak vom GDV.

Aus der Politik kommen jedoch keinerlei Signale, dass die Belastung der Betriebsrenten mit dem vollen Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückgenommen wird. Für Roland Sing ist die Sache „politisch gelaufen“. Zumal das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht die Rechtmäßigkeit der Belastung der Betriebsrentner bestätigt haben. „Bei so einer Ausgangslage wird die Politik das Thema nicht mehr aufgreifen“, sagt Sing. Sein Fazit: „Die Menschen müssen im Alter mit steigenden Abgabelasten rechnen bei sinkenden gesetzlichen Renten.“

Oder wie viele Betroffene feststellen: „Wer vorsorgt, wird geschröpft.“