Da könnte man ins Grübeln kommen: Beth Gibbons Foto: Eva Vermandel

Beth Gibbons, die gefeierte Sängerin der britischen Band Portishead, singt für ein Crossoveralbum die dritte Sinfonie des polnischen Komponisten Henryk Górecki. wie schlägt sich der Popstar?

Stuttgart - Die Konstellation klingt verführerisch. Denn die dritte Sinfonie des polnischen Komponisten Henryk Górecki, entstanden 1976 als Auftragsarbeit für den damaligen Südwestfunk Baden-Baden, liegt zwar schon in diversen Einspielungen vor, in dieser Form gab es sie jedoch noch nie. Zum einen, weil hier Góreckis Landsmann und Polens bekanntester Komponist dirigiert, Krzysztof Penderecki. Vor allem jedoch, weil die Vokalpartie dieser dreisätzigen Sinfonie für Sopran und Orchester nicht etwa wie in allen bisherigen Aufnahmen von einer Opernsängerin übernommen wurde, sondern von Beth Gibbons, der Frontfrau von Portishead.

Ihr britisches Trip-Hop-Trio erfreut sich völlig zu recht nahezu kultischer Verehrung. Weil sich die Band zwar extrem rar macht (in den bald dreißig Jahren ihres Bestehens sind nur drei Studioalben erschienen, die letzte Deutschlandtournee liegt elf Jahre zurück), es aber mit jedem ihrer Werke zum „Album des Jahres“ brachte. Und ganz besonders wegen Beth Gibbons’ erratischer Singstimme, die sie in ihrer ätherischen Fragilität und kristalliner Klarheit zu einer der mit Abstand besten Popsängerinnen überhaupt macht.

Zwei kleine Nachteile

Beth Gibbons singt jedoch mit einer Altstimme, und hier wären wir bei der ersten der beiden Schwierigkeiten dieses Albums. Górecki hat eine Sopranpartie komponiert, Beth Gibbons singt sie leider ohne Vibrato und nicht mit der stimmlichen Kraft, mit der es eine ausgebildete klassische Sängerin tun würde (wie auch, sie hat das ja nie gelernt). Besonders schade ist jedoch, dass ihre einmalige Singstimme nur in einer kurzen Passage im zweiten Satz wirklich heraushörbar ist. In der ohnehin mit wenig Gesang versehenen Partitur klingt Gibbons in vielen anderen Passagen austauschbar.

Der zweite Nachteil dieser Aufnahme ist, dass Henryk Górecki nicht grundlos alles andere als ein Klassik-Weltstar ist. Sein Gesamtwerk wurde erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auch international bekannt, und obwohl sich diese dritte Sinfonie schon in den Soundtracks diverser Filme wiederfand – von „Der Bulle von Paris“ mit Gérard Depardieu bis zu Julian Schnabels „Basquiat“ –, hat sie in ihrem sehr langsamen, unspektakulären Fluss ohne nennenswerte Emphase als Orchesterwerk ganz gewiss keinen Weltrang.

Eine gute Alternative

Entstanden ist diese Einspielung mit dem Nationalen Symphonieorchester des Polnischen Rundfunks bei einem Projekt, an dem auch Johnny Greenwood von Radiohead und Bryce Dessner von The National teilnahmen. Trotz dieser popkulturellen Nähe fragt man sich, warum auch Beth Gibbons mitgewirkt hat. Denn als Ergebnis steht ein zwar gefällig anzuhörendes Album, das aber in der Summe wieder einmal die altbekannte These untermauert, dass es oft – um nicht zu sagen: fast immer – ein Kreuz mit dem Crossover ist.

Wer Beth Gibbons in Orchesterbegleitung hören möchte, greife daher viel besser zu dem vierten Portishead-Werk „Roseland NYC live“, dem 1997 entstandenen Livealbum aus dem Roseland Ballroom mit dem auch weitaus renommierteren New York Philharmonic Orchestra, einem geglückten Crossoverprojekt. Und höre sich dort wirklich traumhafte Interpretationen wie das fantastische Portishead-Stück „Roads“ in tatsächlich ganz anderem Gewand an.