Beim Nikolausevent der Stuttgarter Stiftung Lebenshilfe geht es für Menschen mit Behinderung zum Bummeln. Ausgerüstet mit einem Gutschein, dürfen sie bei der Galeria Kaufhof nach Herzenslust stöbern.
S-Nord/S-Mitte -
Rund vierhundert Menschen mit Behinderung stürmten am Nikolaustag die Galeria Kaufhof und bummelten nach Lust und Laune durch die unterschiedlichen Abteilungen. Die Stiftung Lebenshilfe Stuttgart hat diesen besonderen Ausflug möglich gemacht.
Am Mittwochmorgen um neun Uhr bildete sich eine lange Schlange vor dem großen Kaufhaus in der Stuttgarter Innenstadt. Die von der Stiftung Lebenshilfe betreuten geistig Behinderten drängten gemeinsam mit ihren Betreuern begeistert zu den Spielsachen oder in die Kleidungsabteilung. Sie haben von der Stiftung einen Gutschein über fünfzig Euro erhalten, den sie nach Lust und Laune verwenden sollen.
Wochenlang vorbereitet
„Für die meisten ist es etwas ganz Besonderes, einkaufen zu gehen. Sie können nicht mal eben in die Innenstadt und haben oft auch nicht die finanziellen Mittel“, sagt Eva Schackmann von der Stiftung Lebenshilfe, die ihren Sitz am Löwentor in Stuttgart Nord hat. Wochenlang haben sich viele Einkaufslustige, die in den Werkstätten der Lebenshilfe arbeiten oder im betreuten Wohnen leben, auf ihren Shoppingtrip vorbereitet. „Kataloge wurden gewälzt, es ist schon Tage davor Thema bei uns. Manche haben eine genaue Vorstellung davon, was sie haben wollen, andere streifen durch die Abteilungen und suchen einfach etwas aus“, sagt Schackmann.
Begleitet von Betreuern und unzähligen freiwilligen Helfern, fast zweihundert an der Zahl, stehen Kleidung und Spielzeug hoch im Kurs. In lauten Jubel, der durch die ganze Spielzeugabteilung tönt, bricht Nadine aus. Sie darf sich einen Krankenwagen aussuchen, auf den sie schon seit Wochen freut. Für Lukas gibt es zwei Mützen. „Er läuft sonst immer mit Werbekappen herum“, sagt Betreuerin Katja Rex. „Für viele ist dieser Einkauf das Highlight im Jahr. Es ist für sie schon ein großes Glück, eine Tafel Schokolade selbst kaufen zu können.“
Anika Eisele hat eine lange Liste abzuarbeiten. „Ich brauche einen Pullover, ein langes Sportoberteil zum Klettern und ein Parfum als Weihnachtsgeschenk“, sagt Eisele. Gemeinsam mit einer Betreuerin geht es von Abteilung zu Abteilung. „Ich kann rumlaufen und gucken, was mir gefällt und was ich mitnehmen kann. Ich habe mich lange darauf gefreut.“
Für den Kaufhof-Chef eine Herzenssache
Doris Keit feiert bald ihren siebzigsten Geburtstag. „Für meine Geburtstagsfeier suche ich eine schicke Bluse. Meine Schwester hat gemeint, zu meiner Hose passt am besten etwas Schwarzes oder Weißes“, sagt die 69-Jährige. Sie trägt an diesem Tag stolz ein Kleid, das sie vor zwei Jahren von ihrem Fünfzig-Euro-Gutschein erstanden hat. Für Thomas Benedetti, dem Geschäftsführer von Galeria Kaufhof, ist die Aktion eine Herzenssache. „Wir machen das gerne. Es ist schön, Menschen helfen zu können, denen es nicht so gut geht. Unsere Mitarbeiter melden sich immer begeistert für den Tag.“
Seit rund fünfzehn Jahren schon haben die von der Stiftung Lebenshilfe Betreuten die Gelegenheit, ihre Weihnachtseinkäufe am Nikolaustag in der Galerie Kaufhof zu erledigen. Der frühere Werkstattleiter der Stiftung Rolf Umbeer kam einst auf die Idee. „Davor hat sich der Gruppenleiter für jeden etwas überlegt und bestellt, aber das passte nicht mehr. Die Idee, jeden sein Geschenk selbst und vor allem im Laden aussuchen lassen ist auf große Begeisterung gestoßen“, sagt Eva Schackmann. Sie spürt: „Für viele bedeutet es ein großes Stück Normalität. Sie werden behandelt wie normale Kunden.“
Nach der ausführlichen Einkaufstour geht es zur Stärkung auf den Weihnachtsmarkt, um den Tag perfekt zu machen.