Ulla Bender (Bildmitte mit Brille) hat große Freude auch beim „Sport mit Handicap“. Sie leitet jede Woche eine Gruppe des großen Gerlinger Vereins KSG. Foto: factum/Weise

Ulla Bender hat ein Faible für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung – und das seit mehr als 30 Jahren. In Gerlingen leitet sie eine Sport- und eine Malgruppe.

Gerlingen - Blau, rot, grün, gelb. Blau, rot, grün, gelb. Das Tuch ist groß und rund. Es besteht aus farbigen, langen und schmalen Streifen – fünf oder sechs Meter im Durchmesser. Gut ein Dutzend Menschen steht im Kreis auf der Wiese, hält mit den Armen das runde Tuch, zieht es gemeinsam nach oben. Das gibt ein Zelt. Darunter steht ein gelber Stuhl. Einer aus dem Dutzend lässt das Tuch los, rennt zum Stuhl, setzt sich drauf. Geschafft. Zurück. Der nächste im blauen T-Shirt mit der Aufschrift KSG ist dran. Wieder großes „Hallo“. Jetzt rennt Ulla Bender unter lauten Anfeuerungsrufen zum Stuhl. Das Blitzlicht des Fotografen leuchtet auf, immer wieder. Die Leiterin der Sportgruppe lacht.

Es ist eine besondere Gruppe, die sich an diesem Nachmittag auf der Wiese bei der Gerlinger Brückentorhalle zum Sport getroffen hat. Alle sind fröhlich bei der Sache, manche können schnell rennen, andere sich nur langsam bewegen. Manchen sieht man ihr Handicap an. Das soll und darf und kann hier so sein, bei der Gruppe „Sport mit Handicap“ der Kultur- und Sportgemeinde Gerlingen (KSG).

Jahrzehntelang im Amt

Ulla Bender ist die Übungsleiterin. Ehrenamtlich. Doch auch im Hauptberuf, als Angestellte bei der Stadt, betreut die 62-jährige Pädagogin in Teilzeit Menschen mit Handicap, seit mehr als 30 Jahren. Die „Freizeitgruppe der Menschen mit und ohne Behinderung“ zum Beispiel oder die „Freitagsmaler“.

Was treibt Ulla Bender an, ihr halbes Leben diesen Menschen zu widmen, die noch bis vor wenigen Jahren als „Behinderte“ bezeichnet wurden, von denen manche mit dem Downsyndrom leben? „Es macht unheimlich viel Spaß“, erklärt sie. „Von diesen Menschen kommt so viel zurück. Sie sind so natürlich und ehrlich. Das ist ein seltenes Gut geworden in unserer Gesellschaft. Weinen und Lachen liegen nahe beieinander“. Und Ulla Bender betont: „Es ist mir wichtig, dass diese Menschen in Gerlingen präsent sind.“

Vielleicht geht die Sportgruppe auch deshalb zu ihren Übungen raus aus der Halle. Thomas und Yvonne, Kerstin, Michael, Holger und die übrigen Mitglieder kommen jeden Montag – beziehungsweise sie werden gebracht. Wilhelm Deichel ist einer der anderen Ehrenamtlichen, ohne die es ein solches Angebot nicht gäbe. Er holt die Sportler mit dem Bus ab, nach der Arbeit bei der Lebenshilfe in Leonberg. Seit fast 30 Jahren gibt es diese Gruppe nun schon, seit zwölf Jahren mit Ulla Bender als Leiterin. Ihre Vorgängerin Rosi Beck ist auch dabei, sie unterstützt ihren Bruder Holger. Nun aber ist nach dem nächsten Spiel dringend eine Pause nötig. Trinken muss sein.

Farbenfrohe Motive aus Norddeutschland

Eine zweite Gruppe, die Ulla Bender betreut, sind die „Freitagsmaler“. Sie treffen sich seit 1999 zur kreativen Betätigung im Jugendhaus. Erst kürzlich haben die Malerihre künstlerische Leiterin Sabine Eckle in Schleswig besucht. Die Bilder, die bei dieser Reise entstanden sind, hängen gerade in einer Gerlinger Bankfiliale. Es sind farbenfrohe Motive: Rapsfelder, Boote und ein Ostseestrand. Sie strahlen Fröhlichkeit und positives Lebensgefühl aus. Frühere Ausstellungen dieser besonderen Künstler waren im Rathaus oder bei Bosch zu sehen.

1989 hat Ulla Bender die Malergruppe übernommen, nachdem sie zuvor sieben Jahre lang im damals neu gegründeten Jugendhaus gearbeitet hatte, zusammen mit Heinz-Dieter Erbe. „Die Arbeit mit den Menschen mit Handicap ist aus der Stadtranderholung heraus entstanden“, erzählt Bender, es sei eine Idee der CDU-Stadträtin Gertrud Müllergewesen. Sie war eine der ersten, die sich in den Achtzigern für Menschen einsetzte, die anders waren als andere. Die Stadtverwaltung hatte dafür ein offenes Ohr und schuf im Jugendamt Kapazität; dabei ist es bis heute geblieben. „Ich habe drei Bürgermeister erlebt, Eberhard, Sellner und Brenner – alle drei unterstützen das“, erzählt Bender erfreut.

Gleichheit für alle als Motivation

„Normalerweise ist diese Arbeit bei der Lebenshilfe, der Diakonie oder der Caritas angesiedelt“, ergänzt sie. Warum sie sich so dafür einsetzt? „Mein Hintergrund ist nicht religiös, sondern humanistisch-ethisch.“ Gleichheit für alle und Gerechtigkeit seien ihre Motivation, entsprechend dem Satz „alle Menschen sind gleich“ aus der UN-Menschenrechtscarta. „Ich habe mich schon immer gerne für andere engagiert, sonst hätte ich diesen Beruf nicht ergriffen.“ Ihr seien nach dem Studium diese Menschen und ihre eigenen Kinder wichtiger gewesen als die Karriere. Zwei Dinge stimmen sie traurig: „Es gibt noch Barrieren in den Köpfen und Berührungsängste.“ Es sei zwar schön, dass Menschen mit Handicap in Gerlingen wahrgenommen würden. Aber: „Es gibt Leute in der Stadt, die haben von der Freizeitgruppe noch nie etwas gehört. Die Inklusion ist erst am Anfang.“ In Gerlingen sei das Thema eben „noch nicht so ganz angekommen.“

Die Bilder der Freitagsmaler sind bis 9. Juni in Gerlingen, Hauptstraße 33, zu sehen. Geöffnet ist montags bis mittwochs und freitags von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 16.30 Uhr, donnerstags von 9 bis 13 und 14 bis 18 Uhr. Die Freizeitgruppe ist beim „Sonntagscafé für dich und mich“ im Stadtmuseum am 9. Juli dabei.