Bergsturz am Piz Cengalo im schweizerisch-italienischen Grenzgebiet. Foto: dpa

Nach dem gigantischen Bergsturz in der Schweiz werden noch acht Wanderer vermisst. Vier der Gesuchten stammen aus Baden-Württemberg. Wir sprachen mit der Bayerischen Bergwacht, wie eine solche Suche abläuft.

Stuttgart/Bondo - Nach dem verherrenden Erdrutsch am Piz Cengalo am Mittwoch (23. August) in schweizerischen Kanton Graubünden werden noch acht Personen vermisst. Mittlerweile ist klar, dass vier von ihnen aus Baden-Württemberg stammen. Während die Rettungskräfte weiter nach den Vermissten scuhten, kam es am Freitag (25. August) gegen 16.49 Uhr zu einem erneuten Erdrutsch. Eine meterhohe Schlammlawine ergoß sich ins Tal. Augenzeugen berichteten, dass Autos zusammengeschoben wurden und bereits beschädigte Häuser einstürzten.

Wie Suche nach Vermissten inmitten eines riesigen unwegsamen Geländes aus Fels und Stein abläuft, erklärt der Bergretter Herbert Streibel. Er ist Referent für Sicherheit und Ausbildung bei der Bergwacht Bayern.

Herr Streibel, wie läuft die Suche nach Vermissten und die Rettung von Verschütteten bei Erd- und Bergrutschen wie jetzt im Gebiet des 3369 Meter hohen Piz Cengalo südlich des Dorfes Bondo in den Bergeller Alpen im Engadin ab?
Das sind ganz schwierige Aufgaben, für die wir als Bergwacht mit unseren Mitteln vorbereitet und trainiert sind. Bei solchen Erdrutschen ist die Trümmersuche gefordert. Da braucht man spezielle Trümmersuchhunde, die vor Ort eingesetzt werden und für diese Aufgabe speziell trainiert sind. Man kann auch die Oberfläche mit Hubschraubern und Wärmebildkameras oder Drohnen absuchen. So kann man erkennen, ob sich eine Wärmequelle irgendwo aus dem Gestein und Geröll abhebt.
In welche Tiefe reichen Wärmebildkameras bei Geröll- und Steinlawinen?
Diese Kameras gehen nicht in die Tiefe, sie scannen nur die Oberfläche ab. Es müssen Techniken zur biologischen und technischen Ortung eingesetzt werden wie nach einem Erdbeben etwa Bodenradar, Spezialkameras oder sensiblen Mikrofonen. Solche Geräte haben wir aber nicht. Genauso wenig wie Trümmersuchhunde. Wir haben nur Lawinensuchhunde, die wir aber auch einsetzen würden.
Wer unterstützt die Bergwacht dann in solchen Fällen?
Das Rote Kreuz. Auch die Polizei hat Suchhunde, die für Anforderungen ausgebildet sind.
Wie schnell sind die Bergretter vor Ort?
Als erstes würden wir das Gebiet oberflächlich absuchen, bodengebunden mit Rettern sowie in der Luft mit Hubschraubern und Drohnen. Dies können auch fliegen, wenn das Wetter einen Hubschraubereinsatz nicht zulässt. Hunde können Gerüche in Spalten im Fels und Geröll wittern.
Wie läuft die Suche nach vermissten Wanderern konkret ab?
Man müsste zuerst recherchieren, was sie vorhatten und wohin sie wollten, um ihre Wanderroute zu rekonstruieren. In diesem Gebiet in Graubünden können sie auch bereits nach Süden nach Italien abgestiegen sein.
Die Suche würde demnach grenzübergreifend ablaufen?
Das ist richtig.
Das Ganze erinnert an die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wie können die Bergretter Vermisste ausfindig machen?
Wanderer tragen sich in die Hüttenbücher ein, wenn sie übernachten. Wie exakt diese Bücher geführt werden, ist eine andere Frage.
Das heißt, Wanderer können auch durchschlupfen und nirgendwo registriert sein.
Auch das ist möglich. Man kann auch ohne Hüttenübernachtung hochgehen.
Die Schweizer Behörden haben fast 24 Stunden gewartet, bis sie die Meldung vom Bergsturz und den Vermissten bekannt machten. Was kann der Grund hierfür sein?
Das weiß ich nicht. Die Informierung der Öffentlichkeit und der Medien ist Aufgabe der Polizei und nicht der Bergwacht und Rettungsleitstelle. Wir werden nur alarmiert, wenn wir für einen Einsatz benötigt werden.