Das Skelett gehört nach Einschätzung des Landesdenkmalamt wahrscheinlich zum frühmittelalterlichen Reihengräberfeld von Benningen. Foto: privat

Bei Aushubarbeiten am Fundament eines entstehenden Gebäudes haben Arbeiter einen ungewöhnliche Fund gemacht: menschliche Knochen. Dabei handelt es sich jedoch um kein Verbrechen, sondern um die Überreste eines frühmittelalterlichen Grabes.

Benningen - Damit hatte wohl keiner gerechnet. Bei Aushubarbeiten am Fundament eines bestehenden Gebäudes in Benningen sind vor kurzem Knochen eines menschlichen Skelettes gefunden worden. Da der Anfangsverdacht bestand, dass es sich um das Opfer eines Verbrechens handelte, wurde die Polizei verständigt. Die Kriminalpolizei barg die verstreuten Knochen und den noch im Erdprofil liegenden Schädel. Bei der anschließenden kriminaltechnischen Untersuchung wurde festgestellt, dass die Knochen deutlich älter sind, als zunächst vermutet, erklärt Katja Lumpp, Pressesprecherin im Regierungspräsidium Stuttgart, auf Anfrage. „Die hinzugezogenen Experten vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium konnten den Sachverhalt sofort aufklären.“ Des Rätsels Lösung: „Es handelt sich um die Überreste eines frühmittelalterlichen Grabes. Dieses gehörte wahrscheinlich zum frühmittelalterlichen Reihengräber-feld von Benningen, dessen Ausdehnung bisher aber nicht in seiner Gesamtheit bekannt ist“, erklärt Marina Monz, Archäologin am Landesdenkmalamt.

In alemannischer Zeit, ab dem fünften Jahrhundert bis ins achte Jahrhundert nach Christus, wurden die Toten in West-Ost-Ausrichtung in Reihen nebeneinander beigesetzt. Die häufig mehrere hundert Bestattungen umfassenden Gräberfelder lagen in der Nähe der Siedlungen. Viele heutige Orte gehen auf frühmittelalterliche Gründungen zurück und somit liegen die alten Gräberfelder heute oft inmitten der modernen Ortskerne, so die Information der Experten.

Schon beim Bau der Bahnlinie im 19. Jahrhundert seien die ersten Bestattungen in Benningen entdeckt worden, heißt es in der Stellungnahme der Behörde. In den folgenden Jahrzehnten seien bei Baumaßnahmen im Umfeld immer wieder Gräber zum Vorschein gekommen. Das Gebäude, an dessen Fundament jetzt die Aushubarbeiten gemacht worden sind, stammt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Baumaßnahmen griffen in einen schmalen Streifen bisher unberührter Bodenschichten ein. Der neue Fund zeige wieder eindrücklich, dass sich archäologische Funde und Befunde auch innerhalb dicht bebauter Ortskerne erhalten, betont Lumpp.

Wie geht’s weiter? Das Landesamt für Denkmalpflege wird eine kleinere Grabung durchführen, um weitere Gräber in dem betroffenen Baufeld sachgemäß zu dokumentieren und zu bergen. Der Termin steht derzeit noch nicht fest. Bei der Ausgrabung werden alle am Befund zu ermittelnden Informationen zu den damals herrschenden Bestattungssitten gesammelt, heißt es in der Erklärung des Regierungspräsidiums Stuttgart. Hierzu zählen Tiefe und Größe der Grabgruben, Lage und Art der Beigaben, Ausrichtung und Lage des Skelettes – und ob ein Sarg oder andere Grabeinbauten vorhanden waren. Die frühmittelalterlichen Grabbeigaben umfassen Bestandteile der Bekleidung, Schmuck und Bewaffnung sowie Gefäße. Katja Lumpp: „Von der geborgenen Bestattung liegen als Funde ein bronzener Ohrring und ein Fragment eines Keramikgefäßes vor. Anhand dieser Funde ist die Datierung des Grabes ins Frühmittelalter abgesichert. Weitere, insbesondere naturwissenschaftliche, Datierungen sind nicht vorgesehen.“ Der vorliegende Fall zeigt, so die Pressesprecherin aus Stuttgart, wie wichtig die frühzeitige Einbindung des Landesamtes für Denkmalpflege bei Bauvorhaben ist. Liegt ein Baugrundstück innerhalb eines Kulturdenkmals gemäß Denkmalschutzgesetz, ist eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung vor Baubeginn gesetzlich vorgeschrieben. Dies gelte auch bei Bauvorhaben, für die es keiner baurechtlichen Genehmigung bedürfe. Der Bauträger werde in diesem Rahmen über denkmalpflegerisch notwendige Maßnahmen informiert. „Wäre eine Beteiligung der Denkmalpflege bereits im Vorfeld der Baumaßnahme erfolgt, hätte man sich viel Aufregung erspart.“