Der stellvertretende Landesvorsitzende des Beamtenbundes Baden-Württemberg und baden-württembergische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lautensack Foto: dpa

Innenminister Gall lobt seine Polizeireform, an der Basis bei den Polizisten gibt’s hingegen Unmut. Welche Version stimmt nun? Die Gewerkschaft fordert eine Mitarbeiterbefragung.

Stuttgart - Eigentlich will, nein darf Joachim Lautensack, der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, gar nichts sagen. Fast täglich wird er von Polizisten angerufen, angemailt und angesprochen und hört kritische Stimmen zur Polizeireform. „Die Stimmung unter den Kollegen ist mehrheitlich schlecht. Viele gehen halt zur Arbeit, aber der Spaß an der Arbeit ist verloren gegangen“, sagt Lautensack. Aber jene, die bei ihm ihr Herz ausschütten, wollen namentlich nicht genannt werden. „Die haben Angst um ihren Job“, begründet Lautensack die Zurückhaltung.

Der Gewerkschaftsvorsitzende selbst ist besorgt über die Entwicklung. „Es passt doch nicht zusammen, dass die Polizeiführung die Reform immer und überall lobt, aber die Kollegen an der Basis, in den Direktionen und Revieren, oft nicht zufrieden sind.“ Infolge der Reform, die Anfang 2014 in Kraft getreten war und bei der aus 37 Polizeidirektionen und vier Landespolizeidirektionen zwölf Großpräsidien wurden, seien nicht nur gewachsene Strukturen zerstört worden, „sondern auch viel Know-how“ verloren gegangen, beklagt Lautensack.

Immer wieder würden Polizisten darüber klagen, „dass sie auf einer Baustelle“ arbeiten – nicht einer, wo die Bagger für Lärm sorgen, sondern wo vieles nicht zusammenpasst. „Es gibt an vielen Stellen eine Schieflage bei der Personalausstattung.“ Hinzu kämen strukturelle Probleme.

Als Beispiel nennt Lautensack im Gespräch mit unserer Zeitung die Hochschule der Polizei. Zwar plane das Land „erfreulicherweise“ für die Jahre 2017 und 2018 die Einstellung von 2800 Polizisten, „aber die Kapazitäten in den Bildungseinrichtungen sind dafür überhaupt nicht vorhanden“. Hinzu komme das Problem, dass die Neulinge erst einmal drei bis vier Jahre ausgebildet werden müssten, ehe sie in den aktiven Dienst gehen können. „Wir brauchen die Leute aber jetzt und nicht erst 2020“, sagt Lautensack. Ähnlich hatte sich auch CDU-Innenpolitiker Thomas Blenke geäußert. Jetzt zeige sich, so Lautensack, dass die Polizeiführung des Landes „drei Jahre lang nur mit der Ausarbeitung der Reform und der Bildung der neuen Großpräsidien beschäftigt war, die alltägliche Polizeiarbeit dabei aber völlig vernachlässigt“ worden sei. Das würden die Polizisten an der Basis nun spüren: „Aber viele trauen sich nicht, etwas zu sagen.“

Aus Sicht von Lautensack muss der Trend und die damit verbundene Entfremdung zwischen Führung und den 24 500 Polizisten an der Basis dringend gestoppt werden. „Ich rege eine Mitarbeiterbefragung an. Dann können die Kolleginnen und Kollegen sagen, was ihnen an der Reform gefällt und was missfällt.“ Dabei sei es freilich wichtig, dass die Mitarbeiter weder Namen noch Dienststelle nennen müssten. „Sonst trauen sich die meisten nicht zu reden.“ Die Befragung, so wirbt Lautensack, sei nicht nur für die Basis wichtig, sondern hat aus Sicht des Gewerkschaftschefs auch für Innenminister Gall und die Polizeiführung einen großen Wert: „Das Ministerium wird dann schnell merken, dass das Lob, mit dem man gerne am grünen Tisch für die Reform wirbt, nichts mit dem Alltag draußen zu tun hat.“

Die Kritik werde dazu beitragen, dass es Verbesserungen gibt – ob bei der Personalverteilung, in der Frage von zu langen Anfahrtswegen beim Einsatz über Kreisgrenzen hinweg bis hin zur Klärung, wann wer mit einer Beförderung zu rechnen hat. Im Innenministerium selbst weist man die Kritik an der Reform seit Monaten zurück – und hat sich dennoch entschieden, die Reform unter die Lupe zu nehmen. Es finde eine wissenschaftliche Evaluation statt, heißt es.