Beim Kongress des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger in Stuttgart rekapituliert Bundestrainer Joachim Löw den Weg zum Weltmeister-Titel – und schaut in die Zukunft.
Stuttgart - Die Reise nach Stuttgart tritt Joachim Löw jedes Mal mit schönen Erinnerungen an. Beim VfB hat er einst seine ersten Schritte als Trainer gemacht, in der Mercedes-Benz-Arena ist die Nationalelf am Ende der rauschenden Heim-WM 2006 als Dritter von der ganzen Stadt gefeiert worden. Und erst vor zwei Wochen erlebte der 57 Jahre alte Bundestrainer beim 6:0 gegen Norwegen erneut eine „wunderschöne Atmosphäre“. Also ist Löw gerne der Einladung nachgekommen, beim BDZV-Kongress im Carl-Benz-Center von seiner Arbeit als Bundestrainer zu berichten. „Vision und Mission – Entwicklung ist planbar“ – so lautet am Montagnachmittag das Thema seiner Erläuterungen, mit denen der Südbadener so eindrucksvoll wie unterhaltsam nachzeichnet, wie aus der DFB-Auswahl die beste Mannschaft der Welt geworden ist.
Löw wechselt nicht „beim ersten Gegenwind“ die Richtung
Löw wirft den Blick noch einmal weit zurück, ins Jahr 2004, als er bei der Nationalelf als Assistenzcoach begann und „das Flaggschiff des deutschen Fußballs am Boden lag“. Mit Bundestrainer Jürgen Klinsmann machte sich Löw daran, alles anders zu machen als die Vorgänger. „Wir haben Maßnahmen ergriffen, die bis dahin in Deutschland unbekannt waren“, sagt Löw und erinnert sich an die Reaktionen: „Visionäre werden am Anfang immer belächelt.“
Häme und Argwohn hielten ihn nicht davon ab, den deutschen Fußball weiter zu revolutionieren, als er 2006 Klinsmanns Nachfolge antrat. „Es ist wichtig, Pläne, von denen man überzeugt ist, gegen jegliche Widerstände durchzuziehen“, sagt Löw. Dies ist für ihn eine allgemeingültige Erkenntnis: „Gute Führungskräfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht beim ersten Gegenwind die Richtung wechseln.“
Rückschläge können eine wichtige Erfahrung sein
Das tat Löw auch nicht, als er sich nach dem Halbfinal-Aus bei der EM 2008 plötzlich schärfster Kritik ausgesetzt sah. Als „ganz wichtige Erfahrung“ wertet Löw im Rückblick diesen Rückschlag: „Danach sind wir den Dingen noch einmal eingehend auf den Grund gegangen und haben davon zwei Jahre später entscheidend profitiert“. In Brasilien war es 2014 so weit: Löw führte die Manschaft zum Weltmeistertitel, nachdem sich seine Spieler nach dem epochalen 7:1 im Halbfinale gegen den Gastgeber vorschnellen Überschwang verkniffen hatten. „Echte Champions“, sagt Löw, „gehen ihren Weg zu Ende.“
Wer den Status quo erhalten will, wird überholt
Seither habe er in seinem Bemühen, die Mannschaft weiterzuentwickeln, nicht nachgelassen – im Gegenteil: „Mir war gleich nach dem Titel klar, dass es gewisser Veränderungen bedarf. Man darf sich nie mit dem Status quo zufrieden geben, sonst wird man schnell überholt.“ Löw erinnert daran, dass Italien und Spanien, die Titelträger von 2006 und 2010, bei den anschließenden Weltmeisterschaften in der Vorrunde gescheitert sind.
Das soll seinem Team in Russland nicht passieren – das große Ziel von Löw ist es, den Titel 2018 zu verteidigen. Vielen seiner Weltklassespieler könne er fußballerisch nichts mehr beibringen, sagt er – und sieht sich in anderer Rolle: „Das ist wie bei einem Orchester. Die besten Musiker der Welt geben nicht automatisch das beste Konzert. Es bedarf eines Dirigenten, der die Aufgaben verteilt.“
Außerdem im Video: BDZV-Präsident Dr. Mathias Döpfner hat beim Zeitungskongress über neue Entwicklungen in der Branche und den Bedeutung von Qualitätsjournalismus im Jahr 2017 gesprochen. Sehen Sie Auszüge der Rede im Video.