Trotz 4:0-Sieg gegen Borussia Dortmund sauer: Bayern-Trainer Thomas Tuchel Foto: dpa/Bernd Thissen

Der Trainer des FC Bayern München nimmt nach der 4:0-Gala bei Borussia Dortmund die TV-Experten Lothar Matthäus und Dietmar Hamann aufs Korn. Über das Spiel selbst gibt er nur widerwillig Auskunft.

Wahrscheinlich war Thomas Tuchel innerlich schon irgendwie glücklich über den schwer beeindruckenden Sieg seines FC Bayern bei Borussia Dortmund, von außen sichtbar war aber kaum etwas von diesem Glück. Der Münchner Trainer schien rund um dieses 4:0 (2:0), das angesichts der Chancen und der erdrückenden Überlegenheit auch ein 5:0 oder ein 7:0 hätte werden können, geradezu besessen zu sein von einem Nebenkriegsschauplatz. Von einer bizarren Fehde mit den TV-Experten Dietmar Hamann und Lothar Matthäus, die die Ansicht vertreten, der FC Bayern würde sich nicht weiterentwickeln und über ein angeblich belastetes Verhältnis Tuchels zu seiner Mannschaft sinniert hatten.

Bereits am Freitag hatte Tuchel daraufhin offen die Konfrontation gesucht, zu diesem Zeitpunkt noch humorvoll. Als ein Reporter Hamann und Matthäus zitierte, hatte er trocken erwidert: „Ich sehe bei den beiden auch keine Weiterentwicklung.“ Das war noch lustig, am Samstag wurde der Trainer aber immer unsouveräner im Umgang mit der Berichterstattung. Vor dem Anpfiff gab er „Sky“ ein Interview, in dem er sehr einsilbig und widerwillig antwortete. Als er dann erklären sollte, warum er so genervt wirke, erwiderte Tuchel: „Ich möchte nicht stören, wenn die Experten da vorne reden.“

Ein sachliches Gespräch war kaum möglich

Man hätte annehmen können, dass der Sieg ihn besänftigen würde, aber auch nach dem Abpfiff war er so aufgewühlt, dass es den Sky-Leuten kaum möglich war, ein sachliches Gespräch zu führen. Irgendwann brach Tuchel das Interview ab, nahm die Stöpsel aus dem Ohr, legte das Mikrofon auf den Tisch und sagte in Richtung Matthäus: „Ihr habt den Job, ihr dürft das benennen, wie ihr möchtet. Da ist gar keiner sauer. Wir haben 4:0 gewonnen, jetzt müsst ihr eine 180-Grad-Wende machen, viel Spaß.“

Etwas später tauchte er dann auf der Pressekonferenz auf, wo ihm die Auseinandersetzung mit den Kritikern abermals wichtiger zu sein schien als die Analyse der Partie. „Soll ich Didi und Lothar zitieren“, begann er den rituellen Spielrückblick süffisant und erklärte in Anspielung auf die Thesen der Kritiker: „Für eine Mannschaft ohne Weiterentwicklung und mit schlechtem Binnenverhältnis von Trainer und Mannschaft war es ganz in Ordnung, würde ich sagen. Den Rest erfahrt ihr von den Experten direkt.“

Inhaltlich hat er damit Recht, warum er in diesem Moment eines sehr besonderen Sieges derart angefasst reagierte, bleibt jedoch rätselhaft. Schließlich hatte sein Team gerade auf dem Rasen, dort also wo die Antworten liegen, all die Behauptungen der Experten in Frage gestellt, vielleicht sogar widerlegt. Denn die Bayern hatten brillant gespielt, schnell, schlau, aggressiv, konsequent von der ersten bis zur letzten Minute. „Über Konter, die wir heute sehr gut ausgespielt haben, haben wir den Gegner plattgemacht“, sagte Leon Goretzka, der nach einem Mittelhandbruch mit Armschiene zunächst im offensiven Mittelfeld und am Ende mangels Alternativen in der Innenverteidigung gespielt hatte.

Dortmunds Trainer Edin Terzic klang geradezu fatalistisch

Genau wie der ebenfalls nur aufgrund der personellen Notlage eingesetzte Dayot Upamecano, der zuletzt wegen einer Muskelverletzung gefehlt hatte, war Goretzka eine Autorität auf dem Platz. Der BVB-Trainer Edin Terzic klang geradezu fatalistisch, als er feststellte, dass die Münchner, „gegen uns meistens ihre besten Saisonleistungen abrufen“. Warum diese Duelle seit Jahren auf die Dortmunder eher lähmend als belebend wirken, konnte auch er nicht beantworten. „Lasst uns über heute Abend reden“, erwiderte der Trainer auf entsprechende Nachfragen und erklärte: „Das war in allen Bereichen eine verdiente Niederlage für uns. Wir konnten heute weder mit dem Tempo noch mit der Ballsicherheit und der Passsicherheit des Gegners umgehen.“

Begünstigt wurde die Münchner Dominanz durch die beiden frühen Tore durch Upamecano (4. Minute) und Harry Kane (9.), die das Stadion schockierten und die Bayern beflügelten. Tuchel sagte: „Heute war ein Topspiel, und wir haben eine Topleistung gebracht. Nicht nur eine Halbzeit oder in Phasen, sondern über die ganzen 90 Minuten.“

Bei den Dortmundern, die seit über einem Jahr kein Bundesliga-Heimspiel mehr verloren hatten, die im laufenden Spieljahr noch ungeschlagen waren, die zuletzt so formstark wirkten, wurden unterdessen massive Schwächen sichtbar. So ist Niclas Füllkrug, Deutschlands wohl bester Stürmer, unter Druck und in engen Räumen kaum in der Lage, Bälle zu behaupten und weiter zu verarbeiten. Spieler wie Julian Ryerson, Marcel Sabitzer, Salih Özcan haben unter dem Stress eines solchen Topspiels ebenfalls Probleme mit der Präzision ihrer Aktionen, vor allem aber wurde ein geradezu dramatisches Tempodefizit sichtbar. „Wir konnten den Dortmundern gerade in der Tiefe mit unseren schnellen Spielern sehr weh tun, und dann haben wir noch den Harry Kane“, sagte Torwart Manuel Neuer, der nur einen einzigen eher harmlosen Schuss von Marco Reus (56.) abwehren musste. Kane schoss das 1:0 (9.), das 2:0 (72.) und das 4:0 (90.+3) für die Münchner und führt nun die Torjägerliste mit 15 Treffern an. Womöglich wurde doch viel zu viel hineininterpretiert in das Pokal-Aus unter der Woche in Saarbrücken.