„Wie ein Feuer“: Die Spieler des FC Nöttingen haben sogar einen eigenen Song zum Pokal-Hit aufgenommen Foto: FC Nöttingen

Hannover 96, Schalke 04 – Pokalerfahrung mit großen Namen haben sie in Nöttingen bereits. Aber jetzt kommt der Ligaprimus. „Die Bayern, das ist Schalke mal 20“, sagt FCN-Chef Dirk Steidl.

Nöttingen - Dirk Steidl ist einfach nur leer, müde, total fertig. Zuletzt hatte er nicht einmal mehr Zeit, seinen gepflegten Dreitagebart in Form zu halten. Wenige Tage vor dem größten Ereignis in der 58-jährigen Vereinsgeschichte ist der Vorstand des Fußball-Oberligisten FC Nöttingen physisch und psychisch mitgenommen vom Traumlos, das die Tennisspielerin Andrea Petkovic als Glücksfee bei der Auslosung der ersten Runde im DFB-Pokal dem Pokalsieger des Badischen Fußballverbandes (BFV) beschert hat.

Erbarmen, die Bayern kommen! Nicht nach Nöttingen – das örtliche Panoramastadion hat nur 3800 Plätze – das Spiel der Spiele findet am Sonntag (16 Uhr/Sky) im 20 Kilometer entfernten Wildparkstadion in Karlsruhe statt. Einst ein magischer Ort, wie an jenem 2. November 1993, als der KSC beim legendären 7:0 gegen den FC Valencia das Achtelfinale im Uefa-Cup erreichte.

Abwehrchef der Badener war damals Michael Wittwer, der den FC Nöttingen seit 2005 als Trainer betreut. Der überzeugte Glatzenträger (und FC Bayern-Fan) würde vor dem ungleichen Duell natürlich gerne auf die Karte Wunder Wildpark setzen, doch der 48-jährige Ex-Profi ist Realist. Er fände es albern, das Spiel der Münchner bis ins Detail zu analysieren, sagt er. Wittwers Erwartungen sind bescheiden: „Wir wollen uns gut präsentieren, um nach dem Spiel mit einem guten Gefühl zurückblicken zu können“, sagt Wittwer.

Die mediale Wirkung komplett unterschätzt

Während der Coach die taktischen Dinge für seine Feierabendkicker ordnen muss, ist Dirk Steidl für die Organisation des zuständig. „Um 6.26 Uhr kam heute schon der erste Anruf, und gestern war ich erst um 1.30 Uhr im Bett. Da bist du irgendwann wie in Trance“, sagt Steidl. Alle wollen was von ihm. Kein Wunder, denn der 43-Jährige ist Vorstandsvorsitzender, Sportdirektor, Finanz- und Marketingchef sowie Leiter der Geschäftsstelle in Personalunion. Es ist zwar nicht das erst Mal, dass der Macher eine derart intensive Zeit in Sachen DFB-Pokal durchmacht. Vor drei Jahren spielte der FC Nöttingen gegen Hannover 96, vor zwei Jahren gegen Schalke 04. Und doch bewegt sich Steidl derzeit auf völligem Neuland und wurde schlagartig in eine andere Welt katapultiert.

„Die Bayern, das ist Schalke mal 20. Die mediale Wirkung haben wir komplett unterschätzt“, sagt Dirk Steidl, vor dessen Tür schon wieder die nächsten Reporter warten. Das Hammerlos entwickelte sich zur organisatorischen Mammutaufgabe. Der Gegner FC Bayern hat die lila-weiße Welt der Nöttinger elektrisiert. „Die sind alle bekloppt, verrückt und irgendwie balla balla“, sagt Steidl. Der Metzger der 2500- Einwohner-Gemeinde hat extra eine Pokal-Lyoner kreiert, der Pfarrer tanzt Hip Hop auf den Vereinshit „Wie ein Feuer“ und alle wollen dabei sein. Ein paar Karten gibt es noch.

Aus dem Kreisligisten ist unter Steidls Führung über die Jahre ein etablierter Oberligist geworden, der zuletzt sogar eine Saison in der Regionalliga spielte. Steidl hat akribisch gearbeitet, auf einen Mäzen verzichtet und die wirtschaftliche Last lieber auf 150 Kleinsponsoren verteilt. Finanziell wird sich das Pokalabenteuer für den Fünftligisten auf jeden Fall lohnen. Nach Abzug aller Kosten dürfte ein Gewinn von rund 400 000 Euro übrig bleiben. Andrea Petkovic sei Dank. Im Hit „Wie ein Feuer“ wurde die Darmstädterin denn auch mit einigen Zeilen bedacht: „Alle feiern pausenlos seit dem Traumlos. Macht für Andi Petko mal die Daumen hoch!“