Für den Schulerfolg greifen Eltern tief in die Tasche Foto: dpa

Eltern lassen sich die Bildung ihrer Kinder viel Geld kosten. Jedes Jahr stecken sie allein etwa eine Milliarde Euro in Nachhilfe. Zugleich besuchen immer mehr Kinder eine Privatschule.

Stuttgart - Linus hat eine Fünf in Mathe, seine Versetzung ist gefährdet. Sabine isteine gute Schülerin. Und soll noch besser werden, beschließen die Eltern und schicken die Tochter in ein Nachhilfeinstitut. Dort geht jetzt auch Linus hin.

„Manchmal sind Eltern fachlich oder zeitlich überfordert und können nicht helfen. Andere Kinder sind faul und haben in der Schule den Anschluss verpasst. Oder sie verfolgen große Ziele und wollen ihre guten Noten halten“, sagt Cornelia Sussieck, Vorsitzende des Bundesverbands der Nachhilfe- und Nachmittagsschulen (VNN).

Letzteres beobachtet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit Sorge. „Immer jüngere Kinder nehmen Nachhilfe. Einige Eltern erwarten auch zu viel. Sie wollen für ihr Kind den bestmöglichen Abschluss und üben Leistungsdruck aus“, kritisiert GEW-Geschäftsführer Matthias Schneider: Unter Druck lernten Kinder aber schwerer.

"Migranten sind sehr bildungswillig"

Auch bei Eltern mit Migrationshintergrund bemerkt Sussieck ein großes Interesse an Nachhilfe. Rund die Hälfte der Kinder in ihrer Schule hätte mindestens ein Elternteil mit ausländischen Wurzeln. „Migranten sind sehr bildungswillig und interessiert daran, dass ihre Kinder einen guten Einstieg in die Gesellschaft haben“, sagt Sussieck. Oft seien das Eltern mit einfachen Berufen. Laut der aktuellen Jako-o-Bildungsstudie finanzieren 30 Prozent der Eltern mit türkischem Hintergrund ihren Kindern regelmäßig Nachhilfe, bei den Eltern ohne Migrationshintergrund sind es sieben Prozent.

Diese Eltern bescheren den Anbietern ein gutes Geschäft. Laut einer Studie des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FIBS) geben sie jährlich bis zu 1,2 Milliarden Euro für Nachhilfe aus. Die Bildungsforscher Annemarie und Klaus Klemm sprechen in einer Bertelsmann-Studie von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Für den Schulerfolg ihrer Kinder greifen Eltern im Südwesten besonders tief in die Tasche: Mit 131 Euro pro Schüler und Jahr liegt das Land mit Hamburg auf Platz eins aller Bundesländer. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 108 Euro. Den Studien zufolge haben bis zu 25 Prozent der Schüler Nachhilfe.

Viele Eltern hadern mit dem Schulsystem

Experten sehen die Nachfrage kritisch, die laut den beiden größten Anbietern Schülerhilfe und Studienkreis auf einem stabilen, hohen Niveau liegt. Denn viele Eltern hadern mit dem Schulsystem. In der Bertelsmann-Studie heißt es, Eltern hätten „den Eindruck, dass ihre Kinder im Schulunterricht nicht bestmöglich gefördert werden“.

Doch nicht alle können sich Nachhilfe leisten. Es seien laut Studie „vor allem Kinder aus wohlhabenden oder höher gebildeten Elternhäusern, die von dieser Möglichkeit der außerschulischen Förderung Gebrauch machen können. Dies verschlechtert die Chancengerechtigkeit eines Bildungssystems“. Auch Schneider von der GEW bemängelt das. „Der Bildungserfolg hängt vom Geldbeutel der Eltern ab.“ Aus Sicht der GEW sind die Klassen zu groß, 25 Schüler genug. Insgesamt werde für die individuelle Förderung der Schüler zu wenig getan.

Die Tübinger Erziehungswissenschaftlerin Britta Kohler weist zudem darauf hin, dass Nachhilfe ein Verlust von Freizeit bedeutet. „Der Tag von Schülern ist auch ohne Nachhilfe vollgepackt mit Dingen wie Hausaufgaben und lernen. Wenn ein Kind Lernschwierigkeiten hat, sollte sich zunächst einmal die Schule darum kümmern.“

Doch lässt sich Nachhilfe überflüssig(er) machen?

Doch lässt sich Nachhilfe überflüssig(er) machen? „Ja, die Rahmenbedingungen müssen geändert werden“, sagt Schneider von der GEW. Ein längeres gemeinsames Lernen in Gemeinschaftsschulen, angelegt als Ganztagsbetrieb, sei ein richtiger und wichtiger Ansatz. „Die Einführung der Gemeinschaftsschule ist auch angesichts der Forderungen der Eltern nach mehr Ganztagsangeboten, dem Ziel der Inklusion und dem Wunsch nach mehr individueller Förderung eine sehr gute Antwort auf die Herausforderungen an unser Bildungssystem“, sagt eine Sprecherin des Kultusministeriums. Damit trage man entscheidend dazu bei, herkunftsbedingte Benachteiligungen zu überwinden. Vom Schuljahr 2015/16 an würden 180 zusätzliche Deputate zur gezielten Förderung von Kindern mit Lese- oder Rechtschreibschwäche bereitgestellt. Nach den Sommerferien gibt es im Südwesten 271 öffentliche Gemeinschaftsschulen.

Erziehungswissenschaftlerin Kohler stellt fest, dass Kinder allenfalls drei oder vier Tage ganztägig die Schule besuchen, oder die Zusatzangebote an Ganztagsschulen bislang vorwiegend freiwillig seien. „Viele Eltern wissen nichts vom Ganztagsangebot.“ Zugleich hätten nur qualitativhohe Angebote Effekte auf den Schulerfolg. Grundsätzlich sollten Lehrer etwa mehr darauf achten, ob sie allen Schülern die gleichen Aufgaben anbieten oder verschiedene. „Es ist auch wichtig, dass Eltern stärker mit der Schule kooperieren, damit sie nicht ohne Rücksprache mit den Lehrern aktiv werden und Nachhilfe organisieren“, sagt Kohler.

Sussieck vom Nachhilfeverband sagt, dass Gemeinschaftsschüler im Südwesten seltener Nachhilfe nähmen als andere Schüler. In Bundesländern im Norden unterrichteten Nachhilfelehrer weniger Ganztagsschüler. „Ob dort tatsächlich die Leistung des Schulsystems besser ist oder die Kinder nur keine Zeit mehr für Zusatzunterricht haben, ist aber unklar“, sagt Sussieck.

Ihren Unmut über das Schulsystem zeigen Eltern laut Bildungsbericht 2014 auch,indem sie ihre Kinder zunehmend auf Privatschulen schicken. Im Südwesten geht fast jeder zehnte Schüler auf eine Privatschule. Damit stieg die Zahl dieser Schüler in den vergangenen 13 Jahren um 30 Prozent, wohingegen die Schülerzahl an staatlichen Schulen um 14 Prozent sank.

„Eltern glauben, dass Privatschulen besser sind, weil sie die besseren Schüler aus bildungsnahen Familien haben“, erklärt der Berliner Bildungsforscher und FIBS-Direktor Dieter Dohmen den Ansturm. In Wahrheit besuchen gute Schüler aus diesen Elternhäusern Privatschulen öfter als Kinder aus sozial schwachen Familien. Auf einer staatlichen Schule würden die bildungsnahen Schüler genauso gut abschneiden.

„Die Bildungspolitik verunsichert Eltern. Sie suchen sich die Schule aus, in der ihr Kind die bestmögliche Förderung erhält“, sagt Christina Metke, Geschäftsführerin des Landesverbands Deutscher Privatschulen. Die Privatschulen, meist Ganztagsschulen, würden ihren Blick stärker auf das einzelne Kind richten als öffentliche Schulen. Als Teil des öffentlichen Schulsystems seien Privatschulen aber nicht nur etwas für Reiche, betont Metke. Viele Schulen staffelten das Schulgeld nach sozialen Kriterien, das im Schnitt 160 Euro im Monat betrage.

Wissenswertes für Schüler im Netz

Das Internet spielt bei Kindern und Jugendlichen eine große Rolle – auch bei der Beschaffung von Wissen. Laut der KIM-Studie 2014, die etwa 1200 Kinder zu ihrem Medienkonsum befragte, nutzen inzwischen rund drei Viertel der Sechs- bis Zwölfjährigen einen Computer, drei Viertel davon recherchieren einmal in der Woche oder öfter einen Begriff in einer Suchmaschine. Wir stellen ein paar Portale vor, auf denen Schüler sich informieren.

Frag Finn ist eine Suchmaschine speziell für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Auf der Seite sind nur Internetseiten zugelassen, die für Kinder unbedenklich sind und von Medienpädagogen redaktionell geprüft werden. Diese Liste kindersicherer Seiten wird täglich aktualisiert, ergänzt und geprüft. www.fragfinn.de

Das Portal Helles Köpfchen ist nicht nur eine Suchmaschine, sondern bietet zum Beispiel auch Nachrichten oder Beiträge zu aktuellen Themen aus verschiedenen Bereichen wie Geschichte, Technik oder Politik. Die Seite wird durch die Initiative „Ein Netz für Kinder“ vom Bundesministerium für Kultur und Medien und vom Bundesfamilienministerium gefördert. www.helles-koepfchen.de.

Was Ist Was ist eine Internetseite des Tessloff Verlags, der die gleichnamigen Kinderbücher herausbringt. Dort finden Kinder Beiträge rund Sachthemen wie Natur & Tiere, Technik oder Sport & Freizeit, außerdem können sie dort Fragen stellen. www.wasistwas.de.

Wikipedia ist ein Online-Lexikon und umfasst nach eigenen Angaben 35 Millionen Artikel in mehr als 280 Sprachen. Die Artikel zu den verschiedenen Begriffen verfassen die Autoren freiwillig und kostenlos. www.wikipedia.de.

Hausarbeiten und Referate, aber auch Bachelor- und Masterarbeiten finden Schüler zum Beispiel auf der Internetseite www.hausarbeiten.de. Dort vermarkten Schüler und Absolventen ihre Arbeiten selbst. Hinter der Seite steckt der Grin Verlag, der daneben auch die Seiten grin.com und Diplomarbeiten24.de betreibt. Eine ähnliche Seite ist www.referate.de.

Mit einfachen Hilfsmittel wie einer Schere, einem Stift und Papier erklären die Studenten von Explainity den Zuschauern komplexe Sachverhalte in Form von Videos. Die Erklärvideos gibt es auf dem Videoportal You Tube zu sehen, wenn man den Suchbegriff explainity eingibt.