Bausparen ist in Baden-Württemberg beliebt. Nun wird um die Kündigung von Bausparverträgen gestritten. Foto: Doc Rabe Media /Fotolia

Verbraucherministerium und Verbraucherzentrale sind uneins: Im Streit um die Kündigung von Bausparverträgen stärken die einen den Instituten den Rücken, die anderen den Kunden.

Stuttgart - Im Streit um die Kündigung von hochverzinsten Bausparverträgen grenzt sich die Verbraucherzentrale entschieden von der Position des Verbraucherministeriums ab. „Wir sind der festen Überzeugung, dass die Kündigungen zehn Jahre nach Zuteilung eines Bausparvertrages nicht rechtens sind“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale. „Wir raten den Betroffenen, sich rechtlich zur Wehr zu setzen.“

Er könne sich nicht erklären, so Nauhauser, warum das Verbraucherministerium hier Partei für die Bausparkassen ergreift, obwohl diese Frage gerichtlich noch nicht entschieden ist.

Die Landesregierung hatte – in Abstimmung mit dem Verbraucherministerium – in der Antwort auf eine FDP-Anfrage zur Kündigungswelle der Bausparkassen Verständnis für die Institute gezeigt. Die eher untypische Situation, dass die Zinsen alternativer Anlageformen unter denjenigen von Bausparkassen liegen, „sollte nicht dazu führen, dass das Bausparen als reine Finanzanlageform genutzt wird“, schreibt die Landesregierung in ihrer Antwort, die unserer Zeitung vorliegt.

Die Verbraucherzentrale stimmt in dieser Streitfrage auch nicht mit ihrem Verwaltungsratsmitglied, dem FDP-Abgeordneten Friedrich Bullinger überein. Bullinger, der die Antwort der Landesregierung begrüßte, sagte gegenüber unserer Zeitung: „Sinn und Zweck des Bausparens ist nicht über 30 Jahre hinweg einen hohen Zins zu erhalten, sondern die sinnvolle Finanzierung der eigenen vier Wände.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die Politik die Interessen der Anbieter über die der Verbraucher stellt. Im Streit, ob die Abschlussgebühren bei Bausparkassen rechtens sind, hatte die Politik ebenfalls Partei für die Bausparkassen ergriffen. Am Ende haben auch die Richter zu Gunsten der Kassen geurteilt.

Baden-Württemberg ist Bausparland

Die Bausparkassen im Südwesten – Schwäbisch Hall, Wüstenrot, Badenia und die LBS Baden-Württemberg – haben zusammen hinsichtlich Neugeschäft und Zahl der Kunden einen Marktanteil von rund 50 Prozent. Sie sind damit genauso groß wie die restlichen 17 Bausparkassen in Deutschland. An der Branche hängen direkt 10 000 Arbeitsplätze im Südwesten. Mit deutlich mehr als 400 Bausparverträgen je 1000 Einwohner liegen die Baden-Württemberger klar über dem bundesweiten Durchschnitt.

Doch die Bausparkassen haben Probleme. Die historisch niedrigen Zinsen schmälern ihre Zinserträge. Viele Bausparkunden haben noch Altverträge aus einer Zeit, in der sie für ihr Bausparguthaben bis zu vier Prozent Zinsen erhalten. Sie lassen diese Verträge weiterlaufen, weil sich die aktuellen Zinsen für Tagesgeld oder Sparbuch in Richtung null bewegen. An den Darlehen aus diesen Verträgen sind sie nicht mehr interessiert, weil klassische Immobilienkredite inzwischen deutlich günstiger sind.

Vielen Bausparkassen ist es ein Dorn im Auge, wenn Bausparer ihren zuteilungsreifen Vertrag über Jahrzehnte ruhen lassen und für das Guthaben die hohen Zinsen einstreichen. Nach den Bausparbedingungen haben sie in der Regel jedoch das Recht, die Regelsparrate auch nach der Zuteilung einzufordern. „Schon deshalb zieht das Argument mit dem Zwang zur ewigen Geldanlage nicht. Dann wäre die Bausparsumme nach wenigen Jahren erreicht und der Vertrag beendet“, sagt Nauhauser. So ließen sich die Zinsrisiken für die Bausparkassen minimieren.

Für die Verbraucherseite spricht viel

Bausparverträge wurden und werden zudem als Renditetarife verkauft. „Hier steht ganz klar die Geldanlage im Fokus und nicht das Ansparen für ein Darlehen“, sagt Nauhauser. Zudem haben alle Bausparkassen Tarife entwickelt, die ihren Kunden einen Bonus in Aussicht stellen, wenn sie auf das Darlehen verzichten. Das widerspreche der Argumentation, dass Bausparen vor allem dazu diene, ein zinsgünstiges Baudarlehen zu erhalten.

Bisher gibt es in der Frage, ob Bausparkassen Verträge zehn Jahre nach Zuteilung des Darlehens kündigen dürfen, nur ein Urteil des Landgerichts Mainz. Die Mainzer Richter haben im Sinne der Bausparkassen entschieden. Die Verbraucherzentrale weiß aus ihrer Beratungspraxis, dass weitere Bausparkunden gerichtlich gegen die Kündigung vorgehen werden. Einige Kanzleien würden bereits entsprechende Klagen vorbereiten. „Es spricht vieles dafür, dass der Streitfall am Ende zu Gunsten der Verbraucher ausgehen wird“, sagt Nauhauser.

Betroffenen, die der Kündigung widersprechen wollen, bietet die Verbraucherzentrale einen Musterbrief an, den sie ins Netz gestellt hat.