Block I in Neckarwestheim wird abgebaut – was tun mit dem Schutt? Foto: dpa

Mit der Ablagerung von Bauschutt aus atomaren Anlagen wurde bereits 2006 begonnen. Das heißt: der amtierende Vizelandrat ist sicher nicht der einzige, der zu diesen Vorgängen geschwiegen hat.

Schwieberdingen - Für manch einen Beobachter entbehrt es nicht einer gewissen Ironie: die freiwillige Übernahme von Bauschutt aus der atomaren Versuchsanlage im Landkreis Karlsruhe wurde bereits vor dem Amtsantritt Utz Remlingers als Vizelandrat in Ludwigsburg 2007 in die Wege geleitet. Und zwar von Christoph Schnaudigel, dessen Vorgänger, auch im Amt als Chef der Kreis-Abfallverwertung AVL. Seit 2007 ist Schnaudigel Landrat just jenes Landkreises, dem Ludwigsburg damals die Bürde einer Ablagerung der umstrittenen Stoffe abnahm: Karlsruhe.

 

Das Entscheidende an der Sache ist aber: auch Schnaudigel tat das offenbar, ohne seinen damaligen Chef, den Ludwigsburger Landrat Rainer Haas darüber zu informieren. Doch während das Verhältnis zwischen Haas und Schnaudigel stets als unbelastet galt, nimmt der Ludwigsburger Kreischef dem jetzigen Vize Utz Remlinger diese Geheimniskrämerei übel. Warum?

Der Vize zieht den Zorn des Chefs auf sich

Als „im höchsten Maße ärgerlich“ bezeichnete Haas im Sommer 2015 die Tatsache, dass er erst durch Zeitungsberichte davon erfahren habe, dass Ludwigsburg so genannte freigemessene Stoffe in Schwieberdingen und Vaihingen abgelagert hat. Sauer auf Remlinger ist Haas aber besonders, weil die zeitliche Folge der Ereignisse für ihn peinlich war. Seit dem Frühjahr 2015 verhandelte der Landrat im Auftrag des Landkreistags mit dem Energiekonzern darüber, wo und wie der Schutt des stillgelegten Blocks I des Kernkraftwerks Neckarwestheim abzulagern ist. Und das offenbar, ohne zu wissen, dass es bereits seit Jahren, wenn auch in kleinerem Maßstab, solche Deponierungen im Kreis Ludwigsburg gibt.

Schwer zu definieren ist dabei die Rolle des Technikchefs der AVL. Albrecht Tschackert ist seit 18 Jahren bei der Kreistochter tätig und war in dieser Angelegenheit eine bedeutende personelle Konstante. Auch er war, so ist zu hören, in die Gespräche mit der EnBW eingebunden. Und: auch er hat den Landrat nicht darüber informiert, dass Ludwigsburg bereits einen deponietechnischen Präzedenzfall geschaffen hat.

Seltsame Folgerungen einer Studie

Merkwürdig ist in dem Zusammenhang die Rolle einer abfallwirtschaftlichen Studie, die seit Anfang dieser Woche auf der AVL-Seite im Netz steht. Publiziert wurde sie von einem Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg im März 2015, der damals Praktikant bei der AVL war. Sie beschäftigt sich mit der Deponierung solcher „freigemessenen“ Reststoffe – das ist Schutt von atomaren Anlagen, der nach teilweise intensiver Vorbehandlung als nicht mehr strahlenintensiv gilt. Rein rechtlich handelt es sich anschließend um nicht-radioaktiven Bauschutt. Faktisch gibt es noch kaum Erfahrungen damit.

Mit keiner Silbe erwähnt der Verfasser, dass in den Deponien des Kreises bereits solcher Schutt liegt. Aus seinen Bodenproben vom Burghof in Vaihingen folgert er vielmehr, dass es hier „eine allgegenwärtige, sogenannte ubiquitäre Strahlenbelastung“ gebe, die „vom geologischen Untergrund“ herrühre. Das ist insbesondere deshalb verwunderlich, weil der AVL-Technikchef Tschackert Betreuer der Arbeit war.

Wie unbedenklich ist die Strahlung?

Im Anhang findet sich immerhin noch ein kryptischer Hinweis auf den freigemessenen Schutt. Bei der Messung wurde auch das Isotop Kobalt-60 gefunden: ein Stoff, der ausschließlich künstlich erzeugt werden kann – meist in Kernkraftwerken. Auf der Deponie sei zwar keine erhöhte Strahlenbelastung feststellbar. Wenn aber genauer gemessen werde, dann sei „nicht auszuschließen, dass einige Messwerte die Freigabewerte (...) erreichen bzw. teilweise auch überschreiten“, heißt es dort. Lapidares Fazit: in Anbetracht der ohnehin vorhandenen Erdstrahlung sei auch das „als unbedenklich anzusehen“.