Heiner Geißler hat klare Vorstellungen was die Planung künftiger Großprojekte angeht. Foto: dpa

Stuttgart-21-Schlichter Geißler wünscht sich mehr Bürgerbeteiligung statt "Zuschauerdemokratie".

Mainz - Stuttgart 21-Schlichter Heiner Geißler hat eine grundlegende Reform des Bau- und Planungsrechts in Deutschland gefordert. Bei Großprojekten der öffentlichen Hand sollten die Bürger künftig schon zu Beginn der Planungen einbezogen werden, sagte der CDU-Politiker am Freitag in Mainz.

Derzeit würden sie erst am Ende angehört, wenn über die Projekte bereits entschieden sei. Die Menschen seien nicht mehr bereit, diese Art der „Zuschauerdemokratie“ zu akzeptieren. Gleich zu Beginn eines Großprojekts müsse es öffentliche Erörterungen geben, forderte Geißler. Wenn ein Konflikt drohe, sollte eine Mediation oder eine Schlichtung eingeleitet werden. Alle Beteiligten müssten an einen Tisch, und sie müssten sich auf Augenhöhe begegnen.

Keine Geheimniskrämerei mehr

Ein Haupthindernis für einen Konsens sei mangelnde Transparenz. Daher gehörten sämtliche Fakten auf den Tisch, es dürfe keine Geheimniskrämerei mehr geben, betonte Geißler. Bauträger sollten ihre finanziellen Berechnungen veröffentlichen. Im Gegenzug müssten Projektgegner ihre Einwände begründen. In den Landtagen sollte ein Etat eingerichtet werden, aus dem Projektgegner ihre Gutachter und Sachverständigen finanzieren könnten.

Sitzungen sollten öffentlich abgehalten werden und nach Möglichkeit im Lokal- oder Regionalfernsehen übertragen werden. Auch die Neuen Medien sollten genutzt werden, um die Bürger zu informieren. Zum Schluss sollten das Projekt und die Alternativen zur Abstimmung gestellt werden - entweder in den Parlamenten oder per Volksinitiative, Volksabstimmung oder Volksbegehren. Die Politik müsse akzeptieren, dass Bau- und Investitionsprojekte im Zweifelsfall auch abgelehnt werden können.

Seite 2: Weitere massive Proteste gegen Großprojekte zu erwarten

Eine derartige „Revolutionierung“ des Bau- und Planungsrechts könne deutlich zur Versachlichung der Debatten um Großprojekte beitragen. In den vergangenen Jahren hätten die Proteste gegen solche Vorhaben deutlich zugenommen. Grund sei, dass die Menschen der Politik nicht mehr viel zutrauten. Das allgemeine Misstrauen gegenüber den Parlamenten fokussiere sich in Projekten wie Stuttgart 21, betonte Geißler. Auch in Zukunft seien massive Proteste zu erwarten, etwa gegen neue Stromtrassen.

Bau- und Planungsrecht ist bürgerfeindlich

Zum mangelnden Vertrauen in die Politik komme ein Bau- und Planungsrecht hinzu, das absolut unzureichend und bürgerfeindlich sei, kritisierte Geißler. Die Bürger würden zwar gehört, aber nicht an den Entscheidungen beteiligt. Das Baurecht sei ein hochbürokratisches Verfahren ohne Mitspracherechte.

Er glaube nicht, dass eine verbesserte Bürgerbeteiligung Großinvestitionen erschweren würde, sagte Geißler. Vielmehr würde man so schneller zu konsensfähigen Planungen kommen. Wenn die Menschen nicht beteiligt würden, könne es hingegen zu Verzögerungen durch eskalierende Proteste kommen.

Das Thema müsse generell aus der „Parteipolitisierung“ herausgenommen werden, forderte Geißler. Er setze darauf, dass eine solche Reform in naher Zukunft durch die gesetzgeberische Initiative eines Bundeslandes wie Rheinland-Pfalz im Bundesrat oder auch durch den Bundestag selbst angestoßen wird. Das Vertrauen der Bürger in die Funktionsfähigkeit der Demokratie würde so gestärkt und die Glaubwürdigkeit der Politik vergrößert.

Geißler hatte das Sechs-Punkte-Programm für direkte Bürgerbeteiligung in Zusammenarbeit mit der CDU Rheinland-Pfalz erarbeitet, die es zur Diskussion stellt und als Grundlage für ihre Politik nutzen will.