Die Auseinandersetzung vor dem Verwaltungsgerichtshof haben Katrin und Simon Hayler gewonnen. Glücklich sind sie mit der weiteren Entwicklung keineswegs. Foto: Gottfried Stoppel

Nach einem Rechtsstreit mit dem örtlichen Gärtnereibetrieb Hayler hat die Stadt Weinstadt im Wohngebiet Halde V umgeplant – das treibt die neuen Nachbarn auf die Barrikaden.

Die Wogen schlagen hoch am Ortsrand von Endersbach, ein gutes Stück höher als die aus dem Boden gestampften Häuser im Wohngebiet Halde V. Denn auf ein paar noch freien Grundstücken zwischen der Straße Junkeräcker und dem Kornblumenweg soll ein Neubau entstehen, der Anwohnern vor dem Einzug in die teuer bezahlten eigenen vier Wände den Schlaf raubt. Vier Geschosse soll der Riesen-Riegel haben, wegen der bemerkenswerten Länge von gut 100 Metern wird der geplante Komplex in der Nachbarschaft längst als „die zweite chinesische Mauer“ beschimpft.

Denn beim Kauf der eigenen Immobilie haben die Endersbacher Neubürger mit einem gänzlich anderen Wohnumfeld gerechnet. Von einer lockeren Bebauung war einst die Rede, von Luft und Licht. Was jetzt geplant ist, hat aus Sicht der Nachbarn nichts mehr mit den früheren Vorgaben für das Quartier zu tun. „Uns wird buchstäblich ein Klotz vor die Nase gesetzt“, sagt Markus Havermann, der im Sommer in seine Wohnung einziehen will – und mittlerweile seine Zweifel hat, ob der Kauf auch wirklich die richtige Entscheidung war.

Die Messlatte für die Aufregung liegt bei exakt 13,5 Metern Höhe

Mit seiner besseren Hälfte steht der aus Düsseldorf stammende Immobilienbesitzer vor den noch unbebauten Grundstücken und reckt den Blick in die Höhe. Simon Hayler, mit seiner auf Begonien-Zucht spezialisierten Gärtnerei nur eine Straßenbreite entfernt, hat am Montag einen Hubsteiger kommen lassen, um die Höhe des Riegel-Baus vor Ort zu demonstrieren. „Sie können sich gern selbst ein Bild von dem Wahnsinn machen“, schreibt der Pflanzenwirt in einer Einladung an die Weinstädter Lokalpolitik.

Bis zu 13,5 Meter soll der Riegelbau aus dem Boden ragen. Foto: Gottfried Stoppel

Die Messlatte für die emotionale Gefühlswelt der Nachbarschaft liegt bei 13,5 Metern. So hoch soll der vom Rathaus mit dem Wunsch nach Lärmschutz begründete Bau werden. Die Kommune hält den Riegel für eine gute Idee: An der Mauer soll die Geräuschkulisse des Gärtnereibetriebs förmlich abprallen. „Durch durchgehende viergeschossige Bebauung mit entsprechendem Schallschutz in Richtung Lärmquelle entsteht eine Abschottung der Bereiche Richtung Quartiersplatz“, heißt es in einer Sitzungsvorlage zum geänderten Planwerk.

Der Verwaltungsgerichtshof erzwang eine Kurskorrektur

Nötig ist die Kurskorrektur aus Sicht der Kommune wegen eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs. Vor zwei Jahren, im März 2021, hatten die Mannheimer Richter den Bebauungsplan für das Wohngebiet für teilweise unwirksam erklärt – wegen nicht ausreichenden Lärmschutzes. Angestrengt worden war das Normenkontrollverfahren von Begonien-Gärtner Hayler und seiner Frau Katrin, weil sie ihren Betrieb durch das neue Wohngebiet gefährdet sahen. Im Kern ging es um den nächtlichen Lieferverkehr und die nahe liegende Sorge, dass zu später Stunde oder am frühen Morgen anfahrende Lastwagen schnell zu einer Belastungsprobe für die gute Nachbarschaft werden könnten.

Nach der Schlappe vor Gericht machte sich die Stadt an eine Änderung der Pläne für das Wohngebiet und kramte den längst verworfenen Gedanken mit dem Riegelbau aus der Schublade. Der Vorschlag von Simon Hayler, die Gärtnereieinfahrt lärmmindernd auf die andere Seite des Betriebs zu verlegen statt mit viel Aufwand den Bebauungsplan zu ändern, wurde nicht vertieft.

Den Riegel empfinden die Nachbarn störender als Lastwagen

Die Anwohner allerdings empfinden den drohenden Riegel deutlich störender als vom Hof fahrende Transporter. „Für mich waren der sonnige Garten und eine helle Wohnung das Argument für den Kauf“, sagt Nachbar Claudius Tost. Per Gutachten untersuchen lassen habe die Kommune nur die Verschattung des Gärtnereibetriebs, nicht aber die Auswirkung des fast 14 Meter hohen Baukörpers. Der sich nicht länger auf der Sonnenseite wähnende Tost mutmaßt, dass es sich bei der geplanten Höhe um eine Retourkutsche handeln könnte, um den vor Gericht ziehenden Familienbetrieb büßen zu lassen. Andere Nachbarn sind sich sicher, dass die Stadt ihre Grundstücke vor allem möglichst gewinnbringend versilbern will – ohne Rücksicht auf die nach einem neuen Lebensmittelpunkt suchenden Menschen.

Angeheizt wird die Aufregung durch den Beschluss, die Stellplatzquote trotz dem deutlichen Zuwachs an Wohneinheiten auf 1,0 zu reduzieren. „Es wird stärker verdichtet, dafür gibt es weniger Stellplätze. Hätte ich das alles gewusst, hätte ich diese Wohnung vermutlich nicht gekauft“, sagt Claudius Tost. Ein anderer Nachbar hat eine Whatsapp-Gruppe ins Leben gerufen, in der gegen die Stadt gewettert wird. Gärtner Hayler ruft die Bürgervertreter auf, die neuen Pläne abzulehnen, wenn es am Donnerstag im Gemeinderat zum Schwur kommen wird.

Die Wogen schlagen hoch am Ortsrand von Endersbach. Wenn mit dem Riegel-Bau beabsichtigt gewesen sein sollte, die neuen Nachbarn miteinander ins Gespräch zu bringen, hat die Stadt ihr Ziel erreicht.