Seit kurzem ist klar, dass der Handgranatenwurf in Markgröningen vermutlich mit der Schuss-Serie in und um Stuttgart zusammenhängt. In der Schäferlauf-Stadt haben viele davon gar nichts mitbekommen, andere sorgen sich – vor allem der Bürgermeister.
Der neue Kiosk an einer der Markgröninger Ausfallstraßen fällt im ersten Moment gar nicht weiter auf. Ein DHL-Fähnchen weht am Eingang, das blaue Logo prangt auf der mannshohen Scheibe. Die hat mehrere meterlange Risse, die sich von einem Einschlag in mehrere Richtungen ziehen. Der Kiosk besteht aus einem Raum, vollgepackt mit Süßigkeiten und Getränken, drei junge Männer scheinen gerade hier zu arbeiten. Einer sitzt vor dem Kiosk, die zwei anderen wuseln im Laden umher, grüßen und kassieren freundlich.
Es ist ein Kiosk, von dem es Dutzende in der Region gibt. Der Markgröninger Laden fällt jedoch aus der Reihe: er wird seit einem Vorfall mit einer Handgranate mit dem Konflikt zweier krimineller Banden aus dem Großraum Stuttgart in Verbindung gebracht.
Handgranate ist kein Einzelfall
Anfang des Monats haben unbekannte Täter eine Handgranate aus jugoslawischer Produktion auf den Kiosk geworfen. Nach Recherchen unserer Zeitung explodierte die Granate nur deshalb nicht, weil keine Sprengkapsel eingeschraubt war. Ein Fehler, oder doch eine Warnung an den Betreiber?
Wochenlang nahm die Öffentlichkeit kaum Notiz davon, dann wurde jedoch deutlich, dass sich der Vorfall mutmaßlich in die Serie von Gewalttaten einreiht, die seit Mitte 2022 die Polizei beschäftigt. Hintergrund ist ein Konflikt zweier multiethnischer Gruppen, die eine rekrutiert vor allem junge Männer aus Zuffenhausen und Göppingen, die zweite hat ihren Schwerpunkt in Esslingen. Ansonsten ist wenig bekannt.
Bei dem Bandenkrieg ist der Einsatz von Handgranaten kein Einzelfall. Im Sommer 2023 warf ein vermeintliches Gangmitglied in Altbach bei Esslingen eine Handgranate auf eine Trauergemeinde, unter der er Kontrahenten vermutet hatte. Es gab 15 Verletzte. Im Landkreis Ludwigsburg gab es bislang nur eine Tat, die mit dem Konflikt in Verbindung gebracht wird. Im Dezember 2022 feuerte ein 56-Jähriger in Kornwestheim in Richtung einer unbekannten Gruppe. Breitet sich der Konflikt nun also weiter aus?
Sie sei erschrocken gewesen, als sie davon las, sagt eine Frau, die gerade die Sonne vor einem Gyros-Laden in der Markgröninger Altstadt genießt. „Ich habe aber keine Sorge, dass das Auswirkungen auf das Leben in der Stadt hat.“ Ähnlich sieht das ein Rentner-Paar aus Unterriexingen. „Wir verfolgen das mit dem Bandenkrieg, das schien aber weit weg“, sagt der Mann. Beunruhigt seien sie deswegen aber nicht.
Viele haben gar nichts mitbekommen
Die Umfrage zeigt: Die meisten Markgröninger haben von dem Vorfall wohl gar nichts mitbekommen. „Das schockiert mich jetzt schon ein bisschen“, sagt eine Frau überrascht. Ihr Sicherheitsgefühl leide darunter jedoch nicht: „Komplette Sicherheit gibt es sowieso nicht, das sieht man gerade wieder am Terroranschlag in Moskau.“
Auch ein Kiosk-Besitzer in der Altstadt ist verwundert: „Ich habe mir schon gedacht, wie schade, da macht ein neuer Laden auf und schon schmeißt jemand die Scheibe ein.“ Und eine Floristin sagt: „Der Vorfall an sich bereitet mir keine Sorgen, aber ich merke schon, dass die Gewalt unter Jugendlichen extremer wird.“
Bürgermeister Jens Hübner zeigt sich derweil besorgt. Ihm komme das vor wie im Krimi, man müsse sich nur mal vorstellen, dass die Handgranate explodiert wäre. Dann hätte das eine ganz andere Qualität und extreme Wellen in der Stadt geschlagen.
Er habe früh von dem Vorfall mitbekommen, sagt Hübner, und grübele seitdem, ob die Handgranate wirklich mit dem Bandenkrieg zu tun hat, und ob der Angriff eine einmalige Sache war. Aktuell könne er aber nur abwarten, was die Polizei herausfindet. Er nehme das Gewaltpotenzial, das von den Banden ausgeht und Markgröningen erreichen könnte, jedoch sehr ernst.