Bandenrandale: Festnahmeaktion in Ludwigsburg Foto: 7aktuell.de/Eyb

Mit einer Null-Toleranz-Strategie versucht die Polizei die aufkeimenden Machtkämpfe diverser Straßenbanden einzudämmen. Was da seit längerem brodelt, war am Sonntagabend in Stuttgart und Ludwigsburg zu spüren.

Stuttgart - Neun Festnahmen, 180 Platzverweise, ein verletzter Polizist, Strafanzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung, Widerstand, Verstöße gegen das Waffengesetz und Beleidigung – von diesem Blickwinkel her haben zwei gewaltbereite Gruppierungen für sich erfolgreich die Werbetrommel gerührt. 150 Angehörige der Gang United Tribuns waren am Sonntag in Stuttgart und Ludwigsburg aufmarschiert, um eine Visitenkarte der Stärke abzugeben. Etwa 50 Anhänger kurdischer Gangs hatten die Herausforderung angenommen und sich am späten Abend Scharmützel mit der Polizei geliefert, die sich zwischen die Gruppierungen gestellt hatte. Eine neue Eskalationsstufe einer bedenklichen Entwicklung.

Die Gang der United Tribuns, eine multinationale, überwiegend bosnische Gruppierung, die sich vornehmlich im Rotlichtmilieu betätigt, musste sich schon seit längerem provoziert fühlen. Kurdische Gangs aus dem Großraum Stuttgart verhöhnten die Gegner als Zuhälterbande, verbrannten per Videobotschaft eine erbeutete Kutte eines Ludwigsburger Tribuns-Mitglieds.

Auch aus Freiburg, Frankreich und der Schweiz gekommen

Am Sonntag wollten 150 Muskelmänner Flagge zeigen – was in Stuttgart allerdings nicht klappen sollte. Die Polizei hatte die Einfallstraßen mit Kontrollstellen abgeriegelt. „Die kamen von überall her“, sagt der Stuttgarter Polizeisprecher Jens Lauer, „sogar aus Freiburg, aus Frankreich und der Schweiz.“

Was da in Stuttgart hätte abgehen können, zeigte sich am späten Sonntagabend in Ludwigsburg. Als die 150 Tribuns-Anhänger dort in der Innenstadt auftauchten, kam es von 20.30 Uhr bis Mitternacht zu Auseinandersetzungen. Ausgelöst aber nicht von den United Tribuns, sondern von jenen, die seit Tagen gegen die Konkurrenz zündeln: Kurden-Gruppen, die nach der Zerschlagung der verbotenen Gang Red Legion sich zu einer neuen Bewegung sortieren wollen.

Neun Mitglieder der sogenannten Stuttgarter Kurden wurden in Ludwigsburg festgenommen. „Sie wollten auf dem Schillerplatz an ihre Gegner herankommen und gingen dann auf die Beamten los“, sagt der Ludwigsburger Polizeisprecher Peter Widenhorn. Junge Kurden im Alter von 18 bis 24 Jahren, offenbar aus dem Dunstkreis der Roten Legion, alle mehrfach einschlägig polizeibekannt. Gewalt, Eigentumsdelikte, Drogen.

Sie wurden festgenommen, angezeigt und wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Tatverdächtigen stammen aus Stuttgart, Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen, Ingersheim und Gemmrigheim.

„Wir erwidern nur das, was man uns zuruft“

Sondame – zu deutsch: Unser Schwur – das ist ein weiterer Markenname der sogenannten Stuttgarter Kurden. Man sei keine Street Gang, kein Rocker Club, kein faschistischer Verein noch eine kriminelle Vereinigung, heißt es in der Eigenbeschreibung. „Wir haben kein Interesse an kriminellen Machenschaften oder Revierkämpfen“, sagt einer, der auch nicht der Boss sein will, „wir erwidern nur das, was man uns zuruft.“

Was einen guten Menschen ausmacht, das wissen die Anhänger ganz genau: „Ehre, Stolz, Loyalität und Stärke.“ Viel ist von stolzen Brüdern die Rede. Und das Handwerkszeug ist unmissverständlich: „Lektionen, die nicht schmerzlich erteilt werden, sind schnell vergessen“, heißt es markig. Und: „Weder Gott noch ein anderer wird euch vor diesem Racheschwur retten können.“ Mit einem Foto, das ein blutig geschlagenes Mitglied der Rivalen zeigen soll, wird das Opfer über das Internet verhöhnt.

Inwiefern strukturelle Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK bestehen, ist unklar. Einer der Hintermänner der Red Legion, der inzwischen bei den sogenannten Stuttgarter Kurden aktiv sein soll, ist nach Informationen aus Türsteherkreisen wohl auch bei der Randale zwischen Türken und Kurden im August 2011 in der Stuttgarter Innenstadt beteiligt gewesen. Damals hatten türkische Demonstranten „gegen den PKK-Terror in der Türkei“ protestiert, es kam zu gewalttätigen Gegenaktionen mit zehn leicht verletzten Polizisten.

Politische Motivation ist nur vorgeschoben

Doch nach Einschätzung der Polizei ist die politische Motivation der Stuttgarter-Kurden-Anhänger oder Sondame-Mitglieder nur vorgeschoben. Zwar werde lautstark betont, dass man „keine Faschisten oder sonst irgendeine dreckige Kultur und Art von euch“ dulden werde. „Die sind aber in erster Linie nur auf Ärger aus, und wir haben ein Auge auf sie“, heißt es bei der Polizei.

Offenbar sehen sich alle Beteiligten vom Sonntagabend als Gewinner. Die Polizei, weil sie die Banden ausgebremst hat. Die Kurden, weil sie in Ludwigsburg Flagge zeigten, und die United Tribuns, die verkündeten: „Wir sind immer und überall.“