Die Burda-Stiftung verlieh den "Milleniums-Bambi" an den ehemaligen Bundekanzler und SPD-Politiker Helmut Schmidt für dessen Verdienste als politisches Gewissen Deutschlands. Foto: dpa

Bambi in Wiesbaden verliehen - Rosenstolz kritisiert Ehrung Bushidos und sorgt für Eklat.

Wiesbaden - Er gilt als der bedeutendste Medienpreis in Deutschland. Am Donnerstagabend sind in Wiesbaden die diesjährigen Bambis in 18 Kategorien verliehen worden. Eine Stadt stand kopf - vor allem wegen eines Preisträgers: Justin Bieber.

Es ist wie immer, wenn der Burda-Konzern zum Schaulaufen ruft: Egal, wo in Deutschland der Bambi verliehen wird, gibt sich die Prominenz aus Politik, Fernsehen und Showbusiness ein Stelldichein. Und keine Stadt kann sich eine bessere Werbung vorstellen, als dass das goldene Rehkitz verliehen wird. In diesem Jahr hatte sich der Offenburger Medienkonzern für Wiesbaden entschieden. Und die hessische Landeshauptstadt hat sich herausgeputzt. Überall wehen die weißen Fahnen mit dem goldenen Bambi im kalten Herbstwind.

Die Rhein-Main-Hallen, wo sonst der Ball des Sports stattfindet, ist in grelles Scheinwerferlicht getaucht, der Vorplatz gleicht mit rotem Teppich einer großen Bühne. 3000 Fans empfangen die Stars und Sternchen beim Vorfahren der Nobelkarossen mit ohrenbetäubendem Lärm.

Viele Zaungäste haben ihre Kameras vor allem wegen Teenie-Schwarm Justin Bieber dabei. „I have Bieberfever“ und „Justin, I love you“ sind nur zwei von vielen Begrüßungstransparenten. Einige Fans stehen seit dem Morgen hinter den Absperrgittern. „Wir haben heute mal die Schule ausfallen lassen“, sagt ein Mädchen. Ob sie am Freitag wieder in die Schule gehen wird, scheint fraglich: Erstens hat sie vor lauter „Justin“-Rufen kaum noch eine Stimme, zweitens friert sie über Stunden. Da hilft es auch nichts, dass Helfer alkoholfreien Punsch ausschenken. Als Bieber schließlich vorfährt, schütteln selbst erfahrene Bambi-Kenner nur noch den Kopf. Der Lärmpegel schnellt ins Unermessliche, die Fans schreien um ein Autogramm, die bereitstehenden Sanitäter beobachten aufmerksam die Menge. Aber alles geht gut.

Nicht anders bei Rapper Bushido. Der Jubel bei seinem Eintreffen fällt kaum leiser aus. Er lässt sich fotografieren. „Das ist so geil“, kreischt ein Mädchen. Und doch bestehen Unterschiede: Es gibt Transparente, die den Bambi für Bushido wegen seiner diskriminierenden Texte kritisieren. Indes, der als Rüpel-Rapper bekannt gewordene Sänger wehrt sich gegen die Kritik an seiner Wahl zum Preisträger. „Der Vorwurf ist zu Recht da, ich bin ja kein Kind von Traurigkeit. Aber nichtsdestotrotz weiß ich natürlich, was richtig und falsch ist“, verteidigt sich der 33-Jährige. Doch selbst im Saal gibt es Kritik. Als das Popduo Rosenstolz einen Bambi für das „Comeback des Jahres“ erhält, kritisiert Sänger Peter Plate ungewöhnlich scharf den Integrations-Bambi für Bushido: „Ich möchte morgen noch in den Spiegel schauen können und finde es nicht korrekt, dass jemand für frauen- und schwulenfeindliche Lieder diese Auszeichnung erhält.“ Der Eklat ist da. Aber Bushido bleibt ruhig. „Ich habe immer eine offene Tür“, lädt er seine Kritiker zum Dialog ein. „Ich werde heute sicherlich nicht mehr das sagen, was ich vor zehn Jahren gesagt habe.“ Er liebe Deutschland, jeder habe in seinem Leben „eine zweite Chance verdient“.

Trotz des Eklats, die Show geht weiter. Wie jedes Jahr bietet die Bambi-Verleihung reichlich Gegensätze. Der Blick auf die Gästeliste belegt das, wo sich Schauspieler wie Natalia Wörner, Andrea Sawatzki, Senta Berger, Til Schweiger und Christine Neubauer genauso finden wie Sternchen namens Verona Pooth und Sylvie van de Vaart. Da verleiht Hollywood-Star Paltrow („Shakespeare in Love“) dem Abend vor 800 geladenen Gästen einen Hauch von Hollywood. Aber auch die TV-Moderatoren Kai Pflaume, Cherno Jobatey, Frank Elstner, Johannes B. Kerner und Barbara Schöneberger sind da. Die schrille Lady Gaga meidet die Fans und kommt durch den Hintereingang. Unternehmer wie Schalke-Chef Bernd Tönnies sind genauso gekommen wie Alt-Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Aber sie stehen im Schatten einer Cindy aus Marzahn, die im violetten Paillettenkleid die Laudatio auf TV-Entertainer Thomas Gottschalk hält. „Du hast bewiesen, dass du der einzig wahre Showmaster bist. Ich werde dicke Tränen weinen, wenn du am 3. Dezember deine letzte Wetten, dass . . .?-Sendung machst“, sagt Cindy.

Aber Gottschalk ist nicht der Einzige, der an diesem Abend mit dem Bambi nach Hause geht. Soldat Ralf Rönckendorf, der im Afghanistan-Krieg sein Augenlicht verloren hat, erhält für seinen Einsatz einen Sonderpreis der Jury und sorgt mit seiner bewegenden Dankesrede für manche Tränen. Willy-Brandt-Sohn Matthias Brandt („Polizeiruf 110“) wird in der Kategoie „Bester Schauspieler National“ geehrt, und sieht den Preis „als Ansporn für weitere anständige Filme“. Kurz zuvor hat Jeanette Hain für ihre Rolle in „Poll“ den Bambi in der Kategorie „Schauspielerin National“ geholt und sich mit tränenerstickter Stimme bedankt: „Dieser Preis ist ein riesiges Geschenk.“

Eine der begehrten Trophäen geht auch an Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek für ihr Lebenswerk. Alt-Kanzler Helmut Schmidt bekommt den Milleniums-Bambi und appelliert an die Deutschen, trotz der Europa-Krise die Lage nicht schlecht zu reden: „Das ganze ist nur mit viel Geduld zu lösen. Es gibt keine Patentrezepte.“ Der Sänger Tim Bendzko wiederum wird als „Newcomer“ des Jahrs gekürt und kann sich einen kleinen Seitenhieb auf den Hype um Justin Bieber nicht verkneifen: „Ich kenne kein einziges Lied von ihm.“

Aber das alles ändert nichts an der Aufregung um den 17-jährigen Bieber. Erst holt sich der Kanadier den Bambi, dann dürfen zwei der Tausenden Fans ihn mal richtig herzen und mit ihm hinter der Bühne verschwinden. Die Pullis, die sie tragen, werden sie wahrscheinlich nie mehr waschen.