Die neue Fußgängerbrücke am Backnanger Bahnhof steht. Foto: Gottfried Stoppel

Mit der Einweihung des Fußgängerüberwegs über den Gleisen am Backnanger Bahnhof ist eine der schwierigsten Baustellen Backnangs zumindest in Teilen zum Abschluss gekommen. Die angestrebte Barrierefreiheit ist damit allerdings noch nicht erreicht.

Die Aufgabe, die der Remsecker Stahlbaubetrieb Urfer als Generalunternehmer bewältigt hat, klingt schon von den Daten her gewichtig: 124 Tonnen Stahl wurden verbaut, weitere drei Tonnen kamen für die Beschichtung und Lackierung hinzu. Insgesamt 6365 Einzelteile mussten zusammengesetzt werden. „Das Ganze war wie ein überdimensionales Puzzle“, sagt Heike Urfer, die das Unternehmen zusammen mit ihrem Mann führt. Würde man alle Schweißnähte, mit denen die Teile verbunden wurden, aneinanderreihen, käme man auf eine Strecke von acht Kilometern – also von Backnang bis nach Oppenweiler.

Montage bei laufendem Baubetrieb

Doch nicht die von dem Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich Bergermann Partner (sbp) konzipierte Konstruktion des neuen Fußgängerüberwegs am Backnanger Bahnhof oder dessen schwierige Verankerung an einer steilen Böschung ist der Grund dafür, dass der langjährige Baudezernent und jetzige Erste Bürgermeister von Backnang, Stefan Setzer, die eher schlicht anmutende, gut 60 Meter lange Verbindung zwischen der Maubacher Höhe und der Innenstadt als eine der kompliziertesten Baustellen der jüngeren Backnanger Geschichte einstuft.

Viel schwieriger als die Konstruktion der Brücke selbst war offenkundig, die Montage in Einklang mit den Bedürfnissen der Bahn zu bringen. Denn bis auf wenige Sperrstunden für das Aufstellen des letztlich in neun Einzelteilen angelieferten Bauwerks mussten alle Arbeiten bei laufendem Betrieb bewältigt werden. Andreas Keil von jenem Ingenieurbüro, das in Backnang bereits die Aspacher Brücke, die Brücke beim Wonnemar und den Steg am Kalten Wasser entworfen hat, sprach bei der jetzt vorgenommenen Einweihung von „unendlich vielen Abstimmungsterminen“ mit der Deutschen Bahn und ihrer diversen Tochterunternehmen. Das Bauen an Gleisen habe sich als extrem schwierig herausgestellt. Zudem mussten diverse Kabel für die Leit- und Sicherungstechnik neu verlegt werden.

Baukosten fast verdoppelt

Als der Baubeschluss für den Steg 2020 gefasst wurde, war das Projekt allerdings noch mit 4,5 Millionen Euro kalkuliert worden. Jetzt hat sich die Rechnung nahezu verdoppelt. Dabei entfallen laut dem Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich allerdings nur etwa 5,3 Millionen Euro auf die Brücke selbst, rund 3,5 Millionen hätten „bahnbedingte Maßnahmen“ gekostet, etwa notwendige Anpassungen an den Oberleitungen. Da dürfte den Stadtverantwortlichen durchaus gelegen kommen, dass auch der vom Land versprochene Zuschuss von 4,5 Millionen Euro deutlich höher ausfällt, als ursprünglich gedacht.

Die angestrebte Barrierefreiheit ist durch die Brücke freilich noch nicht hergestellt. Von den insgesamt vier geplanten Aufzügen ist noch kein einziger in Betrieb. Zwei davon fallen in die Zuständigkeit der Stadt und sollten eigentlich schon montiert sein. Doch die beauftragte Firma hat offenbar kurzfristig Lieferschwierigkeiten geltend gemacht. Friedrich hofft nun, dass die Lifte wenigstens im Februar kommenden Jahres in Betrieb gehen können.

Auf eine stufenlose Verbindung zu den Bahnsteigen wird man hingegen noch länger warten müssen. Denn die beiden mittleren Aufzüge baut die Deutsche Bahn – und die hat bereits angekündigt, diese erst von 2025 an im Zuge der geplanten Bahnhofsmodernisierung realisieren zu wollen, wenn unter anderem auch die Bahnsteige erhöht und die Unterführung saniert werden sollen.

Am kommenden Wochenende kein Bahnverkehr

Dennoch sind alle Beteiligten erst einmal froh, mit der Brücke zumindest so weit fertig zu sein, dass der alte Steg wie geplant abgerissen werden kann. Dafür wird in der Zeit vom 10. bis 13. November der Bahnverkehr am Backnanger Bahnhof ruhen. Eine entsprechende Sperrpause hatte die Stadt bereits vor zwei Jahren bei der Deutschen Bahn beantragt. Wäre man mit den Bauarbeiten in Verzug geraten, hätte man diese neu beantragen und wohl noch deutlich länger auf Vollzug warten müssen. Wegen Stuttgart 21 gestattet die Bahn neue Gleissperrungen nicht vor dem Jahr 2027.