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Kommen jetzt die Regionalkreise? - Der Landkreistag spricht gegen Radikalreform aus.

Stuttgart - Mehr Lehrer, kostenlose Kindergärten, gebührenfreies Studium: Grün-Rot hat ehrgeizige Pläne. Doch wer bezahlt? Ein Vorschlag lautet, die Verwaltung zu entschlacken und die Regierungspräsidien aufzulösen. Die Kreise halten das für eine Milchmädchenrechnung.

Umschichten lautet das Zauberwort, wenn Politiker nach finanziellen Spielräumen suchen. Das gilt auch für Grüne und SPD, deren Wahlprogramme Wünsche in Milliardenhöhe enthalten, aber auch das Bekenntnis zur Sparsamkeit. Die Koalitionspartner nehmen deshalb die Verwaltung ins Visier: Wenn Beamte in Ministerien, Regierungspräsidien und Landkreisen eingespart werden könnten, so ihre Rechnung, würden Mittel für andere Aufgaben frei.

Die Grünen wollen deshalb laut Wahlprogramm "konsequent prüfen, inwieweit bisherige Aufgaben und Ausgaben des Landes abgebaut werden können und ob auf eine Verwaltungsebene verzichtet werden kann, um Ausgaben zu begrenzen". Dabei soll die Rolle der Regierungspräsidien "neu bewertet" werden.

Wo die Grünen noch Fragen stellen, haben die Sozialdemokraten bereits Antworten: "Die bisherigen Aufgaben der Regierungspräsidien können sehr viel effizienter auf kommunaler und Landesebene erbracht werden", heißt es im Programm. Deshalb sollen künftig sogenannte Regionalkreise deren Aufgaben übernehmen, und auch die Gemeinden erhalten nach diesem Modell zusätzliche Kompetenzen.

"Klar ist, dass das Gegenstand der Koalitionsverhandlungen wird, denn unsere Regierungsprogramme sind dafür die Basis", bekräftigte am Dienstag SPD-Chef Nils Schmid die Reformabsicht. Eine zukunftsträchtige Verwaltungsstruktur sei schließlich enorm wichtig für das Land. Zwar ergänzte Fraktionschef Claus Schmiedel, das dürfe man sich nicht so vorstellen, "dass am Tag X eine Verwaltungsebene einfach wegfällt". Es sei vielmehr ein Prozess. Doch am politischen Ziel, größere Einheiten zu schaffen und Verwaltungsarbeit zu beschleunigen, lässt er keine Zweifel aufkommen.

An der Spitze des Landkreistags, in dem sich die 35 Landkreise des Südwestens organisieren, ist man deshalb auf alles gefasst: Schließlich fordert die SPD eine solche Reform schon seit Jahr und Tag. Doch Präsident Helmut Jahn will rechtzeitig vor den Koalitionsverhandlungen eine Verteidigungslinie aufbauen und hält argumentativ dagegen.

Regierungspräsidien

"Die Landkreise sind in ihrer heutigen Struktur und Größe äußerst effizient", sagte er unserer Zeitung. Im Vergleich aller 13 Flächenländer hätten die Kreise in Baden-Württemberg die zweithöchste Bevölkerungszahl: im Durchschnitt 150000 Menschen. Bayern, so Jahn, liege mit seinen 71 Landkreisen deutlich darunter.

Wer nun größere Regionalkreise schaffe, die die Aufgaben der Regierungspräsidien übernehmen müssen, bilde erheblich größere Verwaltungseinheiten. Jahn: "Das würde den Gedanken der Bürgernähe auf den Kopf stellen." Denn zum einen müssten die Menschen größere Distanzen überwinden, wenn sie in der Regionalkreisbehörde etwas zu erledigen haben - vom Abfall bis zur Zulassung von Autos. Zum anderen seien diese "Mammutbehörden" mit kleinräumigen Problemen wenig vertraut. Jahn: "Das würde vor allem den ländlichen Raum schwächen."

Noch ein weiteres Argument führt der Präsident des Landkreistags ins Feld: Mit Regionalkreisen müssten die Gemeinden erheblich mehr Aufgaben erledigen. Die kleinen seien dazu aber nicht in der Lage. Jahn: "Eine zweite Gemeindereform wäre die unausweichliche Konsequenz."

Von den heute 1101 Kommunen würden seiner Schätzung nach nur 150 übrig bleiben, denn im Regionalkreis müsste eine Gemeinde mindestens 20000 Einwohner haben. Sein Fazit: Großräumige, zentralistische Verwaltungen seien ein alter Hut. Zeitgemäßer seien kleinere, dezentrale Einheiten - zumal die Regionalkreise seiner Meinung nach nicht ohne Außenstellen auskämen. Jahn: "Man spart also nichts, höchsten ein paar Landratsposten." Die Aufgaben selbst aber müsste ja jemand übernehmen.

Doch ganz auf stur wollen die Landräte dann auch nicht schalten - schließlich gibt es auch in ihren Reihen Überlegungen, wie man die Kreisgrenzen (moderat) korrigieren könnte. An der einen oder anderen Stelle sei die Kreisreform von 1973 sehr wohl reformbedürftig, heißt es hinter vorgehaltener Hand. So ist es ein offenes Geheimnis, dass etwa der kleine Stadtkreis Baden-Baden, der aus rein politischen Gründen entstand, sinnvollerweise im benachbarten Kreis Rastatt aufgeht. Auch der Zuschnitt des Main-Tauberkreises sowie des Hohenlohekreises gilt als unglücklich. Doch bisher wollte an diesen Tabus niemand rühren. Grün-Rot könnte nun eine Lawine ins Rollen bringen.