Es sind unruhige Zeiten für VW. Erst kündigt Konzernchef Martin Winterkorn harte Sparmaßnahmen an. Jetzt macht das Gerücht einer geplanten Übernahme von Fiat-Chrysler die Runde.
Wolfsburg - Der Volkswagen-Konzern prüft angeblich eine Übernahme oder Teilkäufe von Fiat-Chrysler. Dazu hätten bereits diverse Gespräche zwischen VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und den zwei Fiat-Haupteignerfamilien Elkann und Agnelli stattgefunden, meldete das „Manager Magazin“ am Donnerstag – allerdings ohne jegliche Quellenangabe. Demnach gehe es VW vor allem um Chrysler. Der US-Autobauer war Anfang des Jahres vollständig in den Fiat-Konzern integriert worden. Sprecher von VW und Fiat wiesen Spekulationen zurück, wonach ein Zusammenschluss der beiden Autogiganten aktuell zur Debatte stehe.
Trotz der Dementis stößt das Thema jedoch auf große Resonanz, da VW sich derzeit offenbar in einer Umbruchphase befindet. „Dass es Gespräche zwischen den Familien Piëch und Agnelli gegeben hat, ist durchaus möglich. Ob dabei etwas herauskommt, etwas ganz anderes“, sagt Frank Biller, Analyst für die Automobilwirtschaft bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Themen, die beide Konzerne verbinde, gebe es dabei durchaus. So ist es etwa kein Geheimnis, dass Ferdinand Piëch gerne die sportlichen Wagen von Alfa Romeo unter das Dach von VW lotsen würde. „Natürlich hat die Marke Potenzial, doch ob sie Fiat zu einem akzeptablen Preis verkaufen würde, darf bezweifelt werden“, sagt Frank Biller dazu.
Ebenfalls einleuchtend scheint auf den ersten Blick ein Kauf von Chrysler. Die Kernmarke VW kommt in den USA nicht über den Status eines Nischenanbieters hinaus. In dieser Woche präsentierten die Wolfsburger einen neuen Geländewagen, mit dem sie den Absatz in den nächsten Jahren ankurbeln wollen. Zusammen mit dem US-Autobauer und dessen Händlernetz könnten die Wolfsburger zumindest vordergründig ihre Position stärken. Chrysler hat außerdem die begehrten Pick-Ups im Angebot. Aber: „Ein Kauf von Chrysler würde die Stückzahlen zwar erhöhen, aber das Grundproblem der schwächelnden Kernmarke VW nicht lösen“, sagt Biller. Umgekehrt dürfte Fiat keinerlei Interesse an einem Verkauf haben. Zuletzt war Chrysler das ertragsstärkere Unternehmen. Außerdem braucht Fiat Chrysler, um den weltweiten Absatz auf ein Niveau zu hieven, dass das Überleben beider Autobauer sichert.
Eine komplette Übernahme von Chrysler und Fiat durch VW scheint vor diesem Hintergrund ebenfalls unrealistisch, zumal dieser nicht aus der Portokasse zu bezahlen wäre. „Mit Pensionsverpflichtungen würde dies VW 25 bis 30 Milliarden Euro kosten, das wäre sehr großer Brocken“, sagt Biller. Hinzu kämen kartellrechtliche Probleme in vielen Märkten. In Lateinamerika etwa erreichten beide Konzerne fast 50 Prozent Marktanteil. Zudem sei die Modellpalette zu ähnlich, neue Kunden ließen sich mit Fiat kaum hinzugewinnen. „VW würde sich zusätzliche Produktionskapazitäten kaufen, die der Konzern gar nicht benötigt“, sagt Biller.
Klar ist, dass VW momentan auf der Suche nach einer Zukunftsstrategie ist. So hat Konzernchef Martin Winterkorn in dieser Woche ein Sparprogramm in Höhe von fünf Milliarden Euro angekündigt. Denkbar sind dabei auch Einschnitte beim Personal. Zudem soll die Produktivität der deutschen Werke deutlich erhöht werden. Für die Gewinne des Konzerns waren zuletzt vor allem die Töchter Audi und Porsche zuständig. Die Kernmarke VW soll daher endlich profitabler werden. Eine weitere Übernahme passt da eigentlich nicht dazu. Außerdem knabbert VW noch an der Integration der schwedischen Lkw-Tochter Scania. Auch hier gab es bereits Gerüchte über den Zukauf eines US-Herstellers. Wahrlich genug Baustellen – selbst für einen Branchenriesen wie VW.