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Sollen Autos auch bei Tag mit eingeschaltenen Scheinwerfern fahren? Über Sinn und Unsinn dieser vermeintlichen Sicherheitsmaßnahme ist eine neue Debatte entbrannt.

Stuttgart/Berlin - 2011 werden Tagfahrscheinwerfer bei allen zugelassenen Neuwagen in Deutschland zur Pflicht. Kommt damit auch die Vorschrift für alle Fahrzeuge, zu jeder Tageszeit mit Licht zu fahren? Die einschlägigen Verbände bringen sich schon einmal in Stellung.

Mit Licht sieht man besser. Und wer besser sieht, verursacht weniger Unfälle. Eine einfache Formel, könnte man meinen. Doch so einfach ist Verkehrssicherheit leider nicht zu erreichen. Die Frage, ob das generelle Fahren mit Licht die Zahl der Unfälle und Verkehrstoten verringern hilft, beschäftigt die Verkehrspolitik schon seit den 60er Jahren. Die Europäische Union hat nun einen ersten entscheidenden Schritt unternommen und alle Hersteller dazu verpflichtet, ab 7. Februar 2011 Neuwagen (Pkw und Transporter) nur noch mit speziellen, energiesparenden Tagfahrleuchten auszuliefern. Ein Jahr später soll die Richtlinie dann auch für Nutzfahrzeuge gelten.

Ob und wann damit auch die Besitzer alter Fahrzeuge zum Fahren mit Dauerlicht verdonnert werden, ist Sache der Nationalstaaten. Der neue Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat sich, anders als sein Vorgänger Wolfgang Tiefensee (SPD), der als Befürworter des Tagfahrlichts galt, noch nicht festgelegt. Und auch die baden-württembergische CDU-FDP-Landesregierung will bis zum Stichtag für die Hersteller lieber "keine Empfehlung abgeben".

Die Politik hält sich noch zurück, dafür legen sich die großen Verkehrsverbände bereits fest - und zwar mehrheitlich für ein dauerhaftes Fahren mit Licht. Alle voran der mächtigste unter ihnen, der ADAC. Bei den Autolobbyisten hielt man die Lichtpflicht lange Zeit für überflüssig. Neuerdings spricht man sich aber dafür aus, dass ab 2011 alle Autos in Deutschland nur noch mit Licht fahren sollen. Wer dann noch kein Fahrzeug mit neuartigen Tagfahrscheinwerfern besitzt, soll auf das herkömmliche Abblendlicht zurückgreifen - trotz eines Mehrverbrauchs von durchschnittlich 0,2 Litern auf 100 Kilometer. Viele Neuwagen erfüllen die bevorstehende gesetzliche Vorgabe aber schon heute.

Der Auto Club Europa (ACE) in Stuttgart gilt als noch größerer Verfechter des Tagfahrlichts. Der Club beruft sich in seinen Forderungen auf eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast). Die Untersuchung kam 2005 zu dem Ergebnis, dass sich durch das Fahren mit Licht am Tag etwa drei Prozent aller Unfälle in Deutschland vermeiden ließen. Dem volkswirtschaftlichen Sicherheitsnutzen in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr stünden Kosten infolge des zunehmenden Kraftstoffverbrauchs und der damit verbundenen Emissionen von 630 Millionen Euro gegenüber. Die Studie gilt unter deutschen Verkehrsexperten auch heute noch als wegweisend. Beim jüngsten Forum des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) stand das Thema ebenfalls im Mittelpunkt. Tenor der Teilnehmer: Vor allem Fußgänger leben sicherer, wenn auch bei Tag mit Licht gefahren wird. Nicht, weil sie so besser gesehen werden, sondern weil sie umgekehrt Fahrzeuge gerade an trüben Tagen besser wahrnehmen. Die These ist aber auch nicht unumstritten: Der Verkehrspsychologe Amos S. Cohen will die kausale Annahme "Mehr Licht = mehr Sicherheit" so nicht stehen lassen. Parameter wie Erfahrung, die komplexe Informationsverarbeitung im Gehirn und weitere Einflussgrößen wie die Erwartungshaltung würden den Ansatz sprengen, wonach die Sehvorgänge allein auf die Beleuchtungsverhältnisse zurückzuführen wären, sagt Cohen. Gute Beleuchtung von Zwei- wie Vierrädern sei eine erforderliche Voraussetzung, aber noch keine hinreichende Bedingung für das Erkennen eines Objekts oder Ereignisses. "Der Mensch spielt auch eine entscheidende Rolle."

Vielleicht haben deshalb auch die Österreicher inzwischen wieder Abstand genommen von der Pflicht mit dem Licht. Dort gab es während der Testphase von 2005 bis 2007 mehr tote und verletzte Fahrradfahrer, Motorradfahrer und Fußgänger. Was zu der Erkenntnis führte, dass Tagfahrlicht zwar die Aufmerksamkeit auf das entgegenkommende Fahrzeug lenkt, aber damit auch vom eigentlichen Verkehrsgeschehen ablenkt. Dessen ungeachtet müssen Autofahrer in Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Mazedonien, Montenegro, Norwegen, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Slowakei, Slowenien, Ungarn und Tschechien bei Tag mit Licht fahren. In einigen Ländern gilt die Regel nur außerorts oder in den Wintermonaten.