Nicht alle Winterreifen halten, was sie versprechen. Foto: Fotolia

Winterreifenpflicht, höherer Spritverbrauch und Profiltiefe: Rund um das Thema Winterreifen sind viele Mythen im Umlauf. Doch nicht alle davon sind wahr.

Stuttgart - Die Tage werden kürzer, die Nächte kälter und am Wochenende gab es in den höheren Lagen der ersten Schnee der Saison – höchste Zeit, die Winterreifen aufzuziehen. Doch wenn es um die wintertauglichen Reifen geht, kommen viele Autofahrer gedanklich ins Schleudern, denn es sind viele Mythen und Irrtümer rund um Winterreifen im Umlauf, die sich hartnäckig halten.

 

Sind Winterreifen im Winter Pflicht?

Die gängige Faustformel, wann Autofahrer mit Winterreifen unterwegs sein sollten, lautet „von O bis O“ – von Oktober bis Ostern. Doch einen gesetzlich festgelegten Winterreifen-Stichtag gibt es nicht. Wenn die Sonne scheint und die Straße trocken ist, darf man immer mit Sommerreifen fahren – egal, ob es schon Januar ist oder das Thermometer Minusgrade anzeigt. Wer sein Auto bei Schnee, Eis und Reifglätte sowieso in die Garage stellt, kann auf das Aufziehen der Winterreifen ganz verzichten. Hierzulande gilt nämlich nur eine sogenannte „situative Winterreifenpflicht“: Nur wenn es die Straßenverhältnisse erfordern, muss mit Winterreifen gefahren werden. Experten empfehlen dennoch, rechtzeitig die Reifen zu wechseln: „Spätestens wenn die Temperaturen dauerhaft unter sieben Grad Celsius sinken, ist es Zeit für die Winterbereifung“, sagt Frank Mauelshagen, Kfz-Experte der Ergo Versicherungsgruppe. Bei sieben Grad und darunter verhärtet die Gummimischung herkömmlicher Sommerreifen – Winterreifen bieten den besseren Grip.

Sind Ganzjahresreifen sinnvoll?

Warum jedes Jahr im Frühjahr und Herbst die Reifen wechseln, wenn man doch auch Ganzjahresreifen nutzen kann? Das denken sich laut einer Infratest-Umfrage unter ADAC-Mitgliedern 18,5 Prozent der deutschen Autofahrer – und sparen sich den Reifenwechsel. Empfehlenswert sind Ganzjahresreifen aber nicht, meint Daniel Bott vom ADAC: „Sie stellen nur einen Kompromiss dar“ – und hätten je nach Hersteller entweder im Winter oder im Sommer Schwächen. Im Schnee stecken bleibt man damit zwar nicht – es gebe aber keine Sicherheitsreserven, sagt Bott. Wer mit Ganzjahresreifen auf verschneiter Fahrbahn unterwegs sei, müsse die Geschwindigkeit im Vergleich zu richtigen Winterreifen reduzieren. Die Abnutzung von Ganzjahresreifen sei aber im Vergleich zu Spezialreifen nicht höher.

Sind gute Winterreifen am Aufdruck M+S erkennbar?

Das Kürzel M+S steht für „Matsch und Schnee“ und sollte ursprünglich Winterreifen kennzeichnen. Allerdings ist es nicht rechtlich geschützt und wird von zahlreichen Herstellern auch auf Pneus gedruckt, die nicht wintertauglich sind. Beim Winterreifenkauf sollten Autofahrer daher zusätzlich auf das Schneeflockensymbol achten. Nur damit gekennzeichnete Reifen erfüllen die gesetzliche Mindestanforderung – die lautet, dass ein Reifen nur als Winterreifen verkauft werden darf, wenn er im Vergleich zu einem Referenzreifen mindestens sieben Prozent bessere Fahreigenschaften bei winterlichen Straßenverhältnissen erzielt.

Wird man höchstens verwarnt, wenn man bei Schnee mit Sommerreifen fährt?

Wer sich bei winterlichen Straßenverhältnissen mit Sommerreifen erwischen lässt, muss ein Bußgeld von 60 Euro zahlen – und bekommt einen Punkt in Flensburg. Wer aufgrund der falschen Bereifung andere Verkehrsteilnehmer gefährdet, etwa einen Unfall verursacht, wird mit dem doppelten Bußgeld bestraft. Zahlen muss aber nur, wer beim Fahren erwischt wird – für ein mit Sommerreifen geparktes Auto gibt es kein Knöllchen. Viel schmerzhafter als mögliche Bußgelder sind aber die versicherungstechnischen Folgen bei einem Unfall: „Verursachen Autofahrer bei Schnee und Eis mit Sommerreifen einen Unfall, können sie für den Schaden zur Kasse gebeten werden“, warnt Ergo-Experte Mauelshagen. Denn bei grober Fahrlässigkeit, als die das vorsätzliche Fahren mit falscher Bereifung meist bewertet wird, kommt die Kfz-Kaskoversicherung nicht für entstandene Schäden auf.

Reichen 1,6 Millimeter Profiltiefe aus?

Auf glatten Straßen gibt bei Winterreifen eine feine Lamellierung der Lauffläche die bestmögliche Haftung – das ist der entscheidende technische Vorteil gegenüber Sommerreifen. Mit einem gewissen Abnutzungsgrad der Reifen ist diese Lamellierung aber nur noch teilweise vorhanden. Daher empfiehlt der ADAC eine Mindestprofiltiefe von vier Millimetern für Winterreifen. Nachmessen lässt sich das mit einem Zwei-Euro-Stück: Wenn der silberne Rand ganz im Profil verschwindet, ist es tief genug – wenn nicht, ist es Zeit für neue Reifen. Ein Bußgeld riskiert man jedoch nicht: Gesetzlich vorgeschrieben ist bei allen Reifen im Sommer wie im Winter lediglich eine Profiltiefe von 1,6 Millimetern. Zum eigenen Schutz und dem der anderen Verkehrsteilnehmer sollte man sich aber nicht allzu nah an diesem Grenzwert orientieren.

Ist der Spritverbrauch mit Winterreifen höher?

Wenn der Spritverbrauch im Winter höher ist als im Sommer, liegt das meistens nicht an den Reifen, sondern an der Beheizung von Fahrgastzelle, Sitzen oder Scheiben. Der von den Reifen verursachte Mehrverbrauch ist kaum messbar. Die Unterschiede im Aufbau von Sommer- und Winterreifen sind gering. Die Profilgestaltung von Winterreifen ähnelt der von Sommerreifen, wobei die Kältespezialisten zusätzlich Lamellen haben. Zudem ist die Gummimischung anders. Das ergibt aber keinen deutlich höheren Rollwiderstand – und dieser Faktor wäre für einen höheren Spritverbrauch verantwortlich. Zudem sind moderne Winterreifen – anders als die Vorgängermodelle mit ihrem recht grobstolligen Profil – weder besonders laut, noch leidet der Fahrkomfort.