Am Ende sind alle blamiert bis auf die Knochen. Foto: Michael Luz

Sendungen über Auswanderer gibt es wie Sand am Meer. Eine Abrechnung mit den skurrilen Gestalten, die sich zum Kasper machen.  

Es gibt selten einen Grund, Fernsehsender wie Kabel eins, RTL 2 oder Vox zu loben. Aber man muss sagen: Das mit dem Auswandern kriegen sie prima hin. In Sendungen wie „Mein neues Leben - Hin und weg“, „Ausgewandert - Ausgesorgt“, „Goodbye Deutschland! Die Auswanderer“ oder „Gewinne ein neues Leben - Die Auswanderershow“ verfrachten sie Leute außer Landes, bei denen man ohnehin oft das Gefühl hat: je weiter weg, desto besser. Wie wär’s mit dem Mond oder der Venus? Deshalb sollte es viel mehr Auswanderersendungen geben, zum Beispiel „Schwiegerauswanderer gesucht“, „Bauer sucht Auswanderfrau“ oder „Die Auswander-Supernanny“.

Das würde manche Probleme lösen. Man muss sie ja nicht anschauen. Grundprinzip der Nix-wie-weg-Soaps ist immer das gleiche: „Wenn wir in Deutschland gescheitert sind, schaffen wir das in Spanien mindestens genauso gut.“ Oder, wie es bei Kabel eins heißt: „Aus der Arbeitslosigkeit in Berlin ab ins Strandcafé nach Mallorca.“ Sogar das ewig liebeshungrige RTL-Daueropfer Beate aus „Schwiegertochter gesucht“ wurde von seinem Sender jetzt zwangsausgewandert, zur Amore nach Alaska. Das bedauernswerte Geschöpf erschrak gleich zu Beginn ob der bevorstehenden Reise: „Wenn ich jetzt noch Alaskanisch könnte, wär’ das gut.“

Auswandern darf nur, wer die Sprache nicht beherrscht

Das mit der Sprache ist ohnehin ein latentes Problem beim TV-Auswandern. Man weiß nicht, wo die Sender immer wieder die skurrilen Fernweh-Gestalten aufgabeln. Aber Grundvoraussetzung beim Casting scheint zu sein: Auswandern darf nur, wer die Sprache seiner neuen Heimat nicht beherrscht. Höchstwahrscheinlich gibt es vorab Sprachtests - wer genug Spanisch spricht, um „Si“ und „No“ zu verstehen, darf nicht im Fernsehen auswandern. Und so wandern Spanien-Auswanderer über den Schirm, die kein Spanisch verstehen, Kanada-Kandidaten ohne Englisch-Kenntnisse und, wie gesagt, Alaskanisch-Anfänger. Auch beruflich gibt’s Probleme.

Trucker Sven aus dem sächsischen Limbach-Oberfrohna wanderte auf Kabel eins nach Kanada aus - ohne Führerschein. Dass seine Frau beim Auswandern im neunten Monat schwanger war und die Heizung bei minus 25 Grad im kanadischen Winter streikte, spielte da kaum mehr eine Rolle. Ein Kabel-eins-Kollege wollte als professioneller Muscheltaucher in Norwegen nochmals ganz von vorn anfangen - doch dann starb ein Kollege beim Tauchgang. Taucht nix, der neue Job. Auch das Schwarzwald-Café eines anderen Fernweh-Pärchens auf Malle lief nur mau. Verirrungen gibt es also mehr als genug.

Und an Material für viele weitere Staffeln mit TV-Auswandern fehlt es nicht. Wie wär’s mit: Imker mit Bienenallergie, vegetarischer Metzger, Krankenschwester mit Blut-Phobie, Dachdecker mit Höhenangst, analphabetischer Romanautor, nicht schwimmender Rettungsschwimmer? Was soll man beim Zuschauen empfinden für die armen Teufel, die sich bereitwillig fürs Privatfernsehen zum Kasper machen? Manchmal denkt man sich: Recht geschieht’s dir! Das sind dann die TV-Auswanderer, die gern mal Doreen, Justin oder Mike heißen und die sich mit der bockigen Haltung auf die Reise machen: „Deutschland ist schlecht zu uns. Nichts wie weg. Wirste mal sehen, Deutschland, was du davon hast!“ Erst wandern sie, dann wundern sie sich, dass das neue Land, dem sie nichts zu geben haben, sie nicht mit besinnungsloser Freude willkommen heißt. Solche Leute sollten die Sender idealerweise in den hinteren Vorder-Ural verschicken, dorthin, wo nie ein Flugzeug fliegt.

„Ich hab zum Ewald g’sagt, mir gehen dahin, wo’s am wärmsten ist"

Es gibt aber auch die sympathischen Auswanderer, die sich einfach nur aus Lust und Übermut ins Abenteuer stürzen - und trotzdem konsequent alles falsch machen, was man falsch machen kann. Die hübsche Viktoria Händlmeier aus der Nähe von München ist so ein skurriler Fall. Sie ist mit Mann Ewald, einem freiberuflichen Erfinder (!), mit Kabel-eins-Travel nach Spanien entflohen. Das Auswandern hat Viktoria ganz spontan an einem kalten Novembertag beschlossen. „Ich hab zum Ewald g’sagt, mir gehen dahin, wo’s am wärmsten ist. Punkt. Der Rest war mir eigentlich wurscht.“ Apropos: Mit einem Imbisswagen wollte das Pärchen Einheimische und Touristen an der Costa Blanca von der deutschen Bratwurst überzeugen.

Die Voraussetzungen waren nicht restlos ideal: 10 000 Euro Startkapital waren eher dünn, Viktorias beide Söhne mussten daheimbleiben, und das neue Haus, eine Finca in Elche, kannten die beiden nur von Fotos. In Spanien war Viktoria vorher auch noch nie. Und vom Bratwurst-Braten hatten weder sie noch ihr erfinderischer Ehemann einen Plan: „Der Ewald hat gesagt, dass wir eigentlich gar keine Ahnung von Bratwürsteln haben. Und das stimmt.“ Nicht konsequent durchdacht also, die ganze Aktion - aber so ein Fernsehsender wird den Teufel tun, die beiden angemessen zu warnen.

Das Motto der Bratwurst-Abenteurer, so Viktoria, lautete: „Immer zuerst zusagen, und dann nachdenken.“ Ach, du arme Wurst! Erschütternde Erkenntnis nach einigen Wochen: Dem Spanier ist die deutsche Bratwurst wurscht. Dann wurde auch noch der Imbisswagen geklaut. Und der süßen Viktoria dämmerte es: „Man sollte doch erst nachdenken. Wir haben geglaubt, wir können die Spanier überzeugen von den Würsteln, von denen wir selber gar nicht wissen, wie man sie grillt.“

Und so ging auch ihre Hoffnung nicht in Erfüllung, die sie auf ihre Facebook-Seite stellte: „Echt lustig . . . sich im TV zu sehen . . . hoffe nur, ich blamier mich nicht allzu sehr.“ Doch, Viktoria, hast du. Und zwar bis auf die Knochen. Mittlerweile ist die Kabel-eins- Lady zurück in Deutschland - und laut Facebook schon wieder abenteuerlustig, diesmal in der Heimat: „Suche einen Investor oder Geschäftspartner für einen ehemaligen Club in München, 1-a-Lage, möchte mit einem völlig neuen Konzept durchstarten.“ Nur aufs Ausland haben Viktoria und viele ihrer Fernweh-Kollegen aus dem Privatfernsehen keine Lust mehr. Da fahren sie nicht mehr hin. Denn im Ausland ist einfach zu viel Ausland.

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