Um in die Plastik-Guckkästchen der „Tagesskulpturen“ schauen zu können, müssen die Ausstellungsbesucher Sockel und Hocker erklimmen. Kristin Lazarova (l.), Seulmina Lee (r.) und Christine Braun, von der die Kästchen stammen, machen es vor. Foto: Müller-Baji

Studenten der Aka stellen in der Galerie des Feuerbacher Kunstvereins aus. Zu sehen gibt es unter anderem die Kunst zur Krankheit.

Feuerbach - Ist über Nacht ein Biwak in der Burgenlandgalerie des Feuerbacher Kunstvereins gewachsen? Zwei Zelte hat Shana Levy zu einem Objekt zusammengefügt, eine der Installationen zum Thema „Out of Space“, das sich Studenten der Stuttgarter Akademie der bildenden Künste für die diesjährige Transmembran-Ausstellung gestellt haben. „The Global Fear of Living Together“ heißt sie und wirft Fragen auf: nach den Flüchtlingsströmen. Nach dem Nomadentum der Geschäftswelt. Nach der Verknappung von Wohnraum. Das Exponat selbst jedoch schweigt vielsagend.

Das Thema wurde augenscheinlich bewusst mehrdeutig gewählt: „Out of Space“ bedeutet „beengt“, „deplatziert“ und „außerirdisch“. Ferhat Ayne hat in seinen Aufnahmen den eigenen Wurzeln nachgespürt, hat türkische Migranten fotografiert und ein wenig „fremdelnde“ exotische Pflanzen. Und von der bulgarischstämmigen Künstlerin Kristin Lazarova stammt die Rauminstallation „Andere Realitäten“ im Zugang zum großen Saal, in der man sich fremd und behütet zugleich vorkommt und in der vermeintlich feste Standpunkte ins Wanken geraten.

Krankheit künstlerisch verarbeitet

Die Südkoreanerin Seulmina Lee hat ihre eigene Hauterkrankung in den Mittelpunkt gestellt: Eines Tages habe sich ein mysteriöser Ausschlag gezeigt, „und weil ich Künstlerin bin, habe ich alles dokumentiert“. Die graphische Serie „This, Too, Will Go Away“ („auch das geht vorbei“) ist so entstanden und „Bezaubernde Pechsträhne“, die zugehörigen Porzellan-Schmuckstücke, auch. Herzallerliebst wirken die Pusteln auf Colliers, Ringen und Armreifen – und die „Pechsträhne“ bezieht sich auf die Tatsache, dass die dokumentierenden Fotos eines Tages einfach spurlos verschwunden waren. „Out of Place“ noch einmal völlig anders.

Mit dieser Werkschau geht das Projekt „Transmembran“ bereits in die vierte Runde. Was als experimentelle Ausstellung der Kunstakademie beim Feuerbacher Kunstverein begann, ist eine fortlaufende Kooperation geworden. Einige der Ausstellenden der ersten Stunde sind heute Mitglied und kuratieren einmal jährlich die Transmembran-Schauen.

Altbekanntes wird neu inszeniert

Neue Sichtweisen ermöglicht Christine Braun: Im Innenhof steht ihre verhüllte Vitrine mit Gucklöchern, in der sie allerlei Alltägliches aus dem gewohnten Kontext löst – ein Konzept, das auch in den kleinen Souvenir-Fernsehern in der Galerie zum Tragen kommt. Ein Blick hinein zeigt Altbekanntes, vom Strumpf bis zum Verpackungsmaterial, das auf einen Sockel gestellt wurde. Braun spielt dabei auch mit der Wahrnehmung von dreidimensionaler Kunst. „Skulpturen wirken ja immer unvergänglich“, erläutert Braun. Nicht so die „Tagesskulpturen“, von denen nur das Foto geblieben ist. Gewitzt: Um in die Plastik-Guckkästchen zu schauen, müssen die Gäste Sockel und Hocker erklimmen und werden so ihrerseits zum Kunstwerk.

Für den Sonntag, 20. September, hat sich Christine Braun noch etwas ausgedacht: Es gibt Kaffee – und eine Kuchenskulptur zum Aufessen. Allgemein ist zu den Öffnungszeiten fast immer einer der jungen Künstler vor Ort und beantwortet gerne Fragen: Die Gästen müssen sich also nicht „Out of Space“ fühlen, sondern sind vielmehr mittendrin, am Ort des Kunst-Geschehens.