Die „Königsspiele“, dargestellt auch auf den Teil-Selbstporträts im Hintergrund, sind eines der Lieblingsthemen von Marlis Weber-Raudenbusch. Foto: factum/Bach

Marlis Weber-Raudenbusch stellt im Kunstverein Korntal aus. Sie arbeitet mit vielen Techniken. Der Betrachter fragt sich, warum gerade die Krone es ihr angetan hat.

Korntal-Münchingen - Sie feiert in diesem Jahr zwei runde Anlässe in ihrem Leben: 1967, also vor 50 Jahren, begann sie ihr Studium an der Kunstakademie in Stuttgart. Und 20 Jahre früher kam sie zur Welt – hat also dieses Jahr einen Jubiläums-Geburtstag. Am Sonntag, 17. September, wird eine Ausstellung von Marlis Weber-Raudenbusch in der Korntaler Galerie 4/1 eröffnet. „In all den Jahren“ heißt sie, und der Titel verrät, wohin die Rundreise durch das hübsche kleine Haus des Galerievereins geht: Die Werkschau vereint die Schwerpunkte der Künstlerin mit anderen Themen.

Die Krone ist einer der roten Fäden, der immer wieder auftaucht. „Sie ist ein Symbol für die Macht, es hat für mich aber nichts mit Monarchen oder Märchenprinzen zu tun“, erklärt die seit Langem in Stuttgart-Feuerbach lebende Künstlerin, „sondern mit untertänigen Gesellschaftsspielen.“ Da sind die vier Werke mit Rosa als bestimmender Farbe, in denen menschliche Köpfe zu sehen sind. Nicht in jedem Rahmen dominieren sie, und sind nur als Bleistiftzeichnung angedeutet. Und es gibt sechs Bilder mit dem gleichen Kopf, der nur halb zu sehen ist: Vom Kinn bis zur Nasenwurzel. Die Augen fehlen. Die sind abgedeckt mit einer schwarzen dreizackigen Krone oder einem weißen gefalteten Papierhut.

Selbstporträt in Serie

Dem Betrachter stellen sich Fragen. Das Gesicht hat man doch schon mal gesehen? Sind es Spiegelungen in Dreieckform, quasi diagonal? Haben die unterschiedlichen Hintergrundfarben – Rot, Gelb, Schwarz – etwas zu bedeuten? Im Gespräch stellt sich heraus, dass der Betrachter an einem Werk hängen geblieben ist, das der Künstlerin sehr wichtig ist. Es ist ihr Selbstporträt, in einer Sechserserie. Dass die Augen abgedeckt sind, ist Absicht. „Es ist witzig, sich selbst einzubeziehen“, sagt Marlis Weber-Raudenbusch, „ich bin manchmal sehr ironisch.“ Dazu gehört ihre Anmerkung, Künstler seien „der Schlag Sahne für die Gesellschaft. Wir werden nur benutzt, wenn alles schon da ist“.

Sie kann es sich leisten, nicht dem Mainstream zu folgen. Sie sei ihrem verstorbenen Ehemann zeitlebens dankbar, dass er ihr jahrzehntelang das Leben der Freischaffenden ermöglicht habe und sie ihrer künstlerischen Entwicklung freien Lauf lassen konnte. Viele Kollegen könnten das nicht, wenn sie auf jedes verkaufte Bild angewiesen seien und im Auftrag „Sofabilder“ malen müssten, die perfekt ins Wohnzimmer passten.

Kein „Themenhopping“

Künstlerische Entwicklung bedeutet bei Marlis Weber-Raudenbusch aber kein „Themenhopping“, auch wenn sie sagt, „ich lebe mit einem permanenten Ideenstau“. Sie variiert. Da steht Zweidimensionales neben Dreidimensionalem, Großes neben Kleinem, Zeichnung neben Acryl, vielleicht noch angereichert mit Collage. Bestes Beispiel dafür ist das im ersten Stock des Hauses präsentierte 24-teilige Hauptwerk.

„Buchzeichen“ heißt es – und das Buch spielt eine tragende Rolle. Alle 24 Arbeiten, montiert auf quadratischen Buchenholzplatten, haben zu tun mit der Macht des Wortes. Dazu hat Weber-Raudenbusch geerbte Bücher ihres Großvaters verwendet, auf die Platte gesetzt und ergänzt oder verfremdet. „Alles, was gedruckt ist, hat mehr Macht als Handgeschriebenes oder Gesagtes“, ist ihre Erfahrung. Ihre erste Fibel ist dabei, ihr erstes Tagebuch. „Ich habe Macht über mein Leben“, sagt sie, und ergänzt: „Und über das Leben dessen, der verbucht ist oder beschrieben.“ Sie kann ironisch sein, und gleichzeitig sehr ernst.

„In all den Jahren . . .“ von Marlis Weber-Raudenbusch wird in der Galerie 4/1 in Korntal, Hans-Sachs-Straße 4/1, gezeigt bis zum 8. Oktober. Geöffnet ist samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr. Die Vernissage ist an diesem Sonntag um 11.30 Uhr.