Der 27-Jährige füllt seine Rolle in Stuttgart nicht nur auf dem Platz stark aus – und erhält vor dem Bundesliga-Spiel am Samstag bei Darmstadt 98 nun viel Wertschätzung.
Wahrscheinlich taucht Pascal Stenzel am Samstag mal auf dem linken Flügel auf. Und wenn die Darmstädter nicht aufpassen, dann wird der Rechtsverteidiger einen von ihnen austricksen. Per schicker Körpertäuschung oder noch schickerem Übersteiger. Bis vor einer Woche schien dieses Szenario ja undenkbar. Doch zuletzt ist ebenjener Stenzel, der bis dahin als der Inbegriff des fußballerischen Biedermanns beim VfB Stuttgart galt, gegen die Mainzer auf die halblinke Position ausgewichen und hat den Ball gefühlvoll in das Zentrum gehoben, wo Jamie Leweling ein Tor erzielte.
Mit links erledigte Stenzel das. „In Spielmacher-Manier“, wie Sebastian Hoeneß sagt, und der Trainer findet, dass diese Situation den Wert des Abwehrspielers auf dem Rasen passend beschreibt: „Er verfügt über ein unglaubliches Gefühl für die Position, gerade in der Offensive.“ Was zu dem verwegenen Gedanken verleitet, dass der 27-Jährige am Böllenfalltor sogar eine höhere Adelung erfahren könnte, wenn er auch noch zu dribbeln anfängt: in Messi-Manier.
Bereits beim 3:1 im Hinspiel bereitete Stenzel einen Treffer direkt und die zwei weiteren indirekt vor. Wird die Begegnung mit dem Tabellenletzten also wieder ein Fall für den Mann mit der Rückennummer 15? „Er hat gegen die Mainzer mit seinem tollen Spiel ein Bewerbungsschreiben abgeliefert“, sagt Hoeneß. Eine Einsatzgarantie für die Partie bei Darmstadt 98 gibt der Chefcoach jedoch nicht, da er gerne lange darauf schaut, wie der nächste Kontrahent zu knacken ist, und entsprechend seine Startelf formiert.
Doch vor allem gegen Mannschaften aus der unteren Region hat der Trainer bislang Stenzel dem dynamischeren Josha Vagnoman rechts hinten in der Viererkette vorgezogen. Aufgrund von dessen taktischer Disziplin und dessen Spielverständnis. Der Außenverteidiger ist weniger der Sprinter, der fließend zum Außenstürmer mutiert. Er ist mehr die Anspielstation mit dem guten rechten Fuß – und seit Hoeneß die Spielidee in Stuttgart vorgibt, bringt Stenzel sein Stärken immer häufiger gewinnbringend ein.
Auf fünf Torbeteiligungen kommt Stenzel bereits in der laufenden Saison, obwohl er gar nicht immer auf dem Platz stand. Dennoch hat sich seine Quote in den vergangenen 15 Einsätzen gegenüber den 116 Bundesliga-Spielen zuvor verdoppelt. Eine bemerkenswerte Zahl also, die verdeutlicht: Der frühere Freiburger ist durchaus ein Erfolgsfaktor beim Tabellendritten.
Dabei verkörpert Stenzel unter all den weiß-roten Überfliegern wie Serhou Guirassy und Deniz Undav den unauffälligen Star. Er verhilft mit seiner Spielweise und seinem Charakter der Mannschaft zu Struktur und Stabilität – die Voraussetzung, damit andere im Ensemble mit dem Brustring glänzen können. „Er ist ein feiner Kerl und absoluter Teamplayer“, sagt Hoeneß über Stenzel, der schon häufiger als Gewinner einer Vorbereitung bezeichnet wurde – und in den ersten Pflichtpartien dann trotzdem auf der Bank saß.
Murren gehört jedoch nicht zum Repertoire des vielseitigen Defensivspielers. Vielmehr zeichnet ihn aus, dass er da ist, wenn ihn die Mannschaft braucht. Ohne lange Anlaufzeit und ohne persönliche Eitelkeit. Auch deshalb wurde der Vertrag bis 2026 verlängert. „Er ist ein Spieler, wie ihn sich ein Trainer wünscht“, sagt Hoeneß. Mit Stenzels Einstellung, seiner Professionalität und seinem Sinn für das große Ganze. Aus diesem Grund schätzt ihn der Trainer auch als Ansprechpartner. Und die Mitspieler haben Stenzel ihr Vertrauen schon länger ausgesprochen, indem sie ihn in den Mannschaftsrat gewählt haben.