Unter der Paulinenbrücke sind Freiluft-Konzessionen besonders teuer Foto: Piechowski

Die Höhe der Gebühren für Freiluft-Konzessionen in Stuttgart wirft nicht nur bei Wirten Fragen auf.

Stuttgart - Obwohl die Gebühren gestiegen sind, beantragen weiterhin viele Wirte Freiluft-Konzessionen - und immer mehr wollen sogar im Winterhalbjahr Tische rausstellen. Die Gebühren sind je nach Lage der Lokalität gestaffelt - ein System, das Fragen aufwirft.

Was die Italiener Dolce Vita nennen, heißt im Bürokratendeutsch Sondernutzung: Sobald ein Wirt einen Tisch und ein paar Stühle vor das Lokal rückt, unterliegt er nämlich der Satzung für Sondernutzung. Denn die Plätze an der Sonne gibt es nicht umsonst, sondern diese kosten entsprechend eine Sondernutzungsgebühr.

"Da kann schon mal was verrutschen"

Diese Satzung wurde am 17. Dezember 2009 vom Gemeinderat geändert: Die Gebühren sind zum Januar dieses Jahres angehoben worden. Rund zehn Prozent mehr müsse der Gastronom für den genutzten Quadratmeter Straßenraum berappen, erklärt Matthias Oberdorfer vom Tiefbauamt. Die letzte Gebührenänderung wurde im Jahr 2003 vorgenommen.

Die Gebühren hängen von der Wertigkeit des Straßenraums ab. Bereits in den 1960er Jahren - als es noch kaum Außengastronomie gab, dafür aber Warenauslagen, die in den Bereich Sondernutzung fallen - wurden laut Oberdorfer die Straßen in der Landeshauptstadt kategorisiert. Es gibt vier Klassen: 1, 2, 3 und S - wobei 1 die billigste, S die teuerste Straßengruppe ausweist. Zur Kategorie 1 zählen etwa Anliegerstraßen, zur Kategorie S Fußgängerzonen.

Manche Kategorisierungen werfen allerdings auch Fragen auf: Warum etwa zählt der Rupert-Mayer-Platz unter der Paulinenbrücke, ein bevorzugtes Quartier von Wohnsitzlosen, zur Kategorie S? Was macht den Österreichischen Platz so attraktiv, dass er in die zweitteuerste Kategorie fällt? Was ist an der Hohenheimer Straße zu reizvoll, dass sie ebenfalls zur Kategorie 3 gerechnet wird? "Da kann schon mal was verrutschen", sagt Oberdorfer. Die Straßen würden nur stichprobenartig überprüft.

Rauchverbot treibt Gäste ins Freie

Für Tische und Sitzgelegenheiten vor Gaststätten sind pro angefangenen Quadratmeter beanspruchter Straßenfläche zwischen 2,10 und 4,80 Euro monatlich zu zahlen. Im Innenstadtbereich müssen sich die Gastronome zudem an verbindliche Richtlinien zur Möblierung halten, die in einem Merkblatt verzeichnet sind.

"Gebührenerhöhungen sind für Gastronomen nie erfreulich, die haben es ohnehin schwer genug", sagt Daniel Ohl, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. Dieser appelliert an die Städte, maßvoll vorzugehen. "Die Belebung der Straßen tut einer Stadt gut", so Ohl. Als positives Beispiel nennt er Donaueschingen. Dort wurden die Gebühren gesenkt, die Wirte erhalten zudem einen Rabatt, wenn sie sich an die Möblierungswünsche der Stadt halten. "Donaueschingen sieht die Gastronomie als Chance, nicht als Einnahmequelle", betont Ohl, fügt aber hinzu, dass "auch Stuttgart sich nicht durch exorbitante Gebühren auszeichnet".

Rauchverbot treibt Gäste ins Freie

So steht dem Trend, immer mehr Außenraum zu nutzen, nichts im Wege. "Diese Entwicklung ist ungebrochen stabil, unabhängig von allen konjunkturbedingten Schwankungen", sagt Ohl. Zwar ist die Zahl der gestellten Anträge in den letzten Jahren nicht wesentlich angestiegen - sie liegt bei rund 500 -, doch die Lokale, die bereits Außengastronomie anbieten, wollen immer mehr Fläche nutzen.

Beantragen kann die Plätze an der Sonne jeder Wirt, der ein Lokal betreibt. Dann prüft das Amt für öffentliche Ordnung, ob die Möglichkeit einer Sondernutzung besteht. Dazu ist ein förmliches Verfahren nötig, an dem die Polizei, der Bezirksbeirat, das Baurechtsamt, das Amt für Stadtplanung und die Straßenverkehrsbehörde beteiligt sind. Geklärt werden muss, ob öffentlich-rechtliche Belange dem Antrag entgegenstehen. Dabei wird geprüft, ob Fußgänger beeinträchtigt werden, ob die Gestaltung angemessen und ob der Nachbarschutz gewährleistet ist. Spricht nichts gegen den Antrag, wird er in der Regel innerhalb von zwei bis vier Wochen für die Dauer der Freischanksaison, die vom 1.März bis 31.Oktober dauert, genehmigt. Der Antrag ist jährlich zu stellen.

"Immer mehr Wirte beantragen, den Außenbereich länger nutzen zu dürfen", sagt Stefan Braun vom Gaststättenreferat beim Amt für öffentliche Ordnung. Ein Phänomen, das wider Erwarten nichts mit dem Klimawandel zu tun hat. Infolge des Rauchverbots wollen viele Wirte ihre Gäste auch im Winter Plätze im Freien anbieten. "Sie legen dann gerne Wolldecken aus", so Braun. Die Gebühren für die Winterkonzessionen sind die gleichen wie im Sommer. Obwohl es dann, ohne die Heizpilze, die aus gestalterischen und ökologischen Gründen verboten wurden, ganz schön frisch werden kann.