Eine Dachterrasse mit Panoramablick schafft eine Verbindung zwischen der Kindertagesstätte und dem Eingangsbereich des vierstöckigen Wohnhauses. Foto: factum/Granville

Das Stadtteilzentrum Györer in Sindelfingen-Maichingen umfasst ein Wohnhaus, einen Bürgertreff und eine Kindertagesstätte. Die ausgezeichneten Architekten Stefanie und Stephan Eberding verfolgen das Ziel, allen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Sindelfingen - Drei kleine bunte Kinderfahrräder stehen im Gemeinschaftshof am Györer Platz. Auf der einen Seite geht es zum Wohngebäude, auf der anderen in die Kindertagesstätte Allmendäcker. Dort hüpfen und rennen Kinder durch die große Halle, die sich gleich an der Eingangstür befindet. Die Stuttgarter Architekten Stefanie und Stephan Eberding wollten möglichst große Räume schaffen, um den Menschen im Stadtteilzentrum Györer in Sindelfingen-Maichingen möglichst viele Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Kitaleiterin Susann Gerstweiler kann den Erfolg melden: „Was mich von Anfang an beeindruckt hat, sind einerseits die großzügigen Räume und zum anderen die Rückzugsorte, die es für die Kinder gibt.“

Bodentiefe, große Fenster

Die Halle, die auf der einen Seite über bodentiefe, große Fenster verfügt, bietet einen Blick auf den Spielhof. „Der große Vorteil ist, dass wir diesen Raum für Veranstaltungen nutzen können“, erklärt Gerstweiler. Bei der Weihnachtsfeier hätten spielend 300 Kinder und deren Angehörige hineingepasst.

In den lichten Flurbereichen gibt es zahlreiche Ecken und Nischen, in denen die Kinder basteln und werkeln können. An die Spielzimmer reihen sich ein abgetrenntes Malatelier sowie ein Forscherraum mit Mikroskop. „Wir machen zum Beispiel Experimente mit Gummibärchen, die wir auflösen“, berichtet Gerstweiler. Ein breite Treppe mit Empore, die ebenfalls Blicke in alle Richtungen freigibt, führt zu weiteren Rückzugsorten für die 65 Kitakinder, die von 16 Erzieherinnen sowie von Praktikantinnen betreut werden. Im ersten Stock befindet sich auch ein Lichtzimmer ohne Fenster, mit einem Leuchttisch und anderen illuminierten Elementen. Wenn die Türe geschlossen ist, meint man, an dem Ort der Stille in einer anderen Welt zu sein.

Transparenz und Offenheit

Auch auf eine Dachterrasse können sich die Kinder und Erzieherinnen zurückziehen und dort auf einer Bobbycar-Bahn, einer Rutsche und in einem Sandkasten ihren Spaß haben. Der Bodenbelag besteht aus Tartan, an heißen Tagen wird ein Segel gespannt. Von hier aus blickt man auch in den Gemeinschaftshof, und Stege führen hinüber zum Wohnhaus mit elf Wohnungen. Durch riesige Panoramabögen öffnet sich die Sicht auf der einen Seite auf das Neubaugebiet Allmendäcker, auf der anderen in das bereits bestehende Wohngebiet mit Gebäuden, die an den Bauhausstil erinnern.

„Wir standen vor der Aufgabe, für einen Ortsteil eine neue Mitte zu schaffen, den es noch gar nicht gab“ erinnert sich der Architekt Stephan Eberding, der zusammen mit seiner Partnerin Stefanie Eberding das Stadtteilzentrum vor sechs Jahren plante. Es galt, das Thema Wohnen mit der Kindertagesstätte und einem Bürgertreff zu vereinen. „Wir wollten mit markanten Gebäuden und Flächen signalisieren: Hier ist das Zentrum. Und dabei auch eine Transparenz und Offenheit an den Tag legen“, sagt Stephan Eberding. Zwei große Höfe sollen Begegnung ermöglichen, in einem Spielhof mit Kletterhaus sollen die Kinder für sich sein können. Dazu kommt ein Bewegungsraum, eine Art Mehrzweckhalle, die für Sport und Veranstaltungen genutzt werden kann, sowohl vom Kindergarten als auch von den Bürgern.

Optische Verbindung durch bunte Lamellen

Ein Gemeinschaftsgefühl sollte in dem Ende 2014 fertiggestellten Stadtteilzentrum entstehen, das auf rund 4000 Quadratmetern errichtet wurde – mit dem Györer Platz vor dem viergeschossigen Wohnblock. Bunte Streifen an der Fassade wiederholen sich auch im Gemeinschaftshof sowie an anderen Stellen des Gebäudeensembles – sie sollen zumindest optisch die Verbindung zwischen den Bewohnern und den Besuchern der Kita herstellen. „Wir waren beim Tag der offenen Tür in der Kita. Sonst hatten wir bisher aber nicht viel Kontakt“, berichtet Nora Schmidt, die mit ihrem Partner und ihrer einjährigen Tochter Leni eine Mietwohnung bezogen hat. Sie kann sich nicht erinnern, dass es auf dem Györer Platz einmal ein Fest gegeben habe. Im Sommer seien Jugendliche auf dem Platz ab und zu auch zu laut. Aber sonst lasse es sich in der neuen Mitte in den Allmendäckern gut leben, sagt die 37-Jährige: „Meine Tochter schaut gerne hinunter zu den spielenden Kindern.“

„Oh Gott, diese Betonwände“

„Am Anfang dachte ich: Oh Gott, diese Betonwände“, erinnert sich Susann Gerstweiler an ihren ersten Eindruck, als sie mit den Kindern eingezogen ist. Inzwischen sind die großen Wandflächen von Vorteil: Sie werden zur Dokumentation der Kitaprojekte genutzt. Einen weiteren Kritikpunkt gibt es aber nach wie vor: „Uns fehlen hier Bäume und Büsche“, stellt die Kitachefin fest. „Ansonsten aber ist das hier ein einzigartiger Bau.“

Eigenständige Architektur

Die Kommunale Wohnstätten Sindelfingen GmbH ließ das Györer Stadtteilzentrum im Neubaugebiet Allmendäcker in Sindelfingen-Maichingen zwischen Februar 2013 und Oktober 2014 errichten. In ihm befinden sich eine Kindertagesstätte, ein Bürgertreff sowie elf Wohnungen, welche die Wohnstätten vermieten. Insgesamt 18 Erwachsene wohnen derzeit dort mit fünf Kindern. Die Wohnstätten investierten 6,6 Millionen Euro.

Die Architekten Stefanie und Stephan Eberding in Stuttgart erhielten den Hugo-Häring-Preis im Jahr 2017. Die Jury urteilte: „Es ist eine eigenständige und markante Architektur, die sich deutlich von der herkömmlichen Wohnbebauung in der Umgebung abhebt und dabei auch funktional überzeugende Lösungen für Kita, Gemeinschaftsraum und Wohnungen bietet.