Das Mädchen wurde von ihrer Familie systematisch gequält. Sie musste sogar einen Abschiedsbrief schreiben, damit man sie umbringen und einen Suizid vortäuschen kann. Alles nur, weil die Jugendliche einen Freund hatte. Vater und Bruder bekamen nun die Strafe.
Die 16-Jährige musste ein Martyrium erleiden - das räumte selbst einer der Verteidiger der Peiniger der Jugendlichen ein. Die Peiniger waren in diesem Fall der eigene Vater und der Bruder. Weil die Schülerin einen Freund hatte und die beiden angeklagten Jesiden dies aus religiösen Gründen für nicht akzeptabel hielten, wurde das Mädchen gequält.
Es wurde körperlich misshandelt - und vor allem psychisch. Ein Familientribunal beriet im Beisein des Kindes darüber, wie die Tochter und Schwester getötet werden könnte. Die Jugendliche musste sogar einen Abschiedsbrief aufsetzen, damit man die diskutierte Gewalttat als Suizid tarnen könnte.
Das Augsburger Amtsgericht hat am Mittwoch die beiden Männer zu jeweils drei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Der 44 Jahre alte Vater und der 24 Jahre alte Bruder der Schülerin wurden wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und weiterer Straftaten schuldig gesprochen.
Die Angehörigen hatten vor Gericht die angeklagten Taten jeweils zum Teil eingeräumt. Ihre Verteidiger hatten davon gesprochen, dass man das Mädchen wegen der angeblich nicht angemessenen Beziehung nur einschüchtern wollte. Der Bruder habe seiner Schwester richtig Angst machen wollen, sagte dessen Rechtsanwalt. Ein Mord sei aber nie wirklich geplant gewesen, betonten die Anwälte. Sie forderten jeweils Bewährungsstrafen für die zwei Angeklagten. Das Gericht folgte hingegen weitgehend dem Staatsanwalt und der Anwältin der Tochter, die jeweils fast vier Jahre Haft beantragten.
Das Mädchen war im Mai des vergangenen Jahres aus der Familie geflüchtet
Das Mädchen war im Mai des vergangenen Jahres aus der Familie geflüchtet. Schule und Jugendamt hatten aufgepasst, als das Mädchen Würgemale am Hals hatte. Gemeinsam mit der Polizei waren sie eingeschritten. Der Vater drohte auch gegenüber einem Behördenmitarbeiter, dass der 16-Jährigen der Kopf abgeschnitten werde. Die beiden Angehörigen kamen in Untersuchungshaft und das Kind lebt heute an einem geheimen Ort.
In dem Prozess sagte das Opfer von dort per Videoübertragung aus. Das Bayerische Landeskriminalamt hält die seit wenigen Wochen 17 Jahre alte Jugendliche für immer noch stark gefährdet. „Ihr habt mich kaputt gemacht“, schrieb die Tochter in einem Brief an ihre Angehörigen, den die Anwältin des Kindes in ihrem Plädoyer verlas.
Grund war, dass die beiden angeklagten Jesiden aus religiösen Motiven eine Beschmutzung der Familienehre sahen, als die Tochter einen muslimischen Freund hatte. Bei Jesiden werden nur Beziehungen innerhalb der religiösen Gruppe toleriert. Die Angeklagten stammen beide aus dem Irak. Der Vater war vor 15 Jahren nach Deutschland gekommen und hat seine Familie nachgeholt, sein Sohn hat inzwischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Gegen andere Familienmitglieder gibt es ebenfalls Strafverfahren.
Der Vater und der älterer Bruder des Mädchens sagen, sie könne jederzeit zurückkommen zu ihrer Familie und es werde ihr nichts passieren. Richterin Silke Knigge meinte dazu, sie zweifele, dass die Tochter jemals wieder etwas mit ihrer Familie zu tun haben wolle.