Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn könnte an diesem Dienstag über die Zukunft des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 entscheiden. Foto: www.7aktuell.de | Florian Gerlach

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn könnte an diesem Dienstag über die Zukunft des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 entscheiden. Die Kontrolleure sind aufgerufen, den Finanzrahmen des bislang auf auf 4,5 Millionen Euro kalkulierten Projektes auf 6,5 Milliarden Euro zu erweitern.

Stuttgart - Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn könnte an diesem Dienstag über die Zukunft des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 entscheiden. Die Kontrolleure sind in einer Vorlage des Vorstands aufgerufen, den Finanzrahmen des bislang auf auf 4,5 Millionen Euro kalkulierten Projektes auf 6,5 Milliarden Euro zu erweitern. Die große Frage ist, ob die Vertreter von Kapitalseite und Arbeitnehmern die Mehrkosten für den Staatskonzern und damit den Weiterbau auch genehmigen, wenn das Projekt unwirtschaftlich wird - falls sie denn am Dienstag überhaupt abstimmen, woran es auch Zweifel gibt.

 

Einem „Spiegel“-Bericht zufolge will der Aufsichtsrat dem Bahnvorstand die Hoheit über das Milliardenprojekt entziehen. Das Kontrollgremium solle die Einrichtung eines Projektausschusses beschließen. Darin sollen sich mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats regelmäßig und detailliert über den Baufortschritt informieren und die Kosten kontrollieren. „Niemand wird sich um diese Aufgabe reißen, aber ohne einen solchen Ausschuss bekommen wir keine Kontrolle über das Projekt“, wird ein Aufsichtsrat zitiert. Auch wolle der Aufsichtsrat der Fortführung nur zustimmen, wenn sich die Bahn verpflichte, Land und Stadt auf Zusatzzahlungen zu verklagen. Das allerdings dementierte Aufsichtsratsvize Alexander Kirchner im SWR. Er betonte, ein solcher Projektausschuss sei in den letzten Tagen nicht diskutiert worden. Das Gremium plane stattdessen, Stuttgart 21 künftig als festen Tagesordnungspunkt in jeder Aufsichtsratssitzung zu besprechen.

Einen Teil dieser Kosten will die Bahn auf die Projektpartner abwälzen

Die vom Bahnvorstand vorgeschlagenen zwei Milliarden Euro Mehrinvestitionen aus den Eigenmitteln der Bahn umfassen fehlerhafte Berechnungen des Managements von 1,1 Milliarden Euro sowie 900 Millionen Euro Kostenrisiken, etwa für „behördlichen Schwergang“ - sprich: langwierige Genehmigungsverfahren. Einen Teil dieser Kosten will die Bahn in einem separaten Finanzierungsvertrag auf die Projektpartner abwälzen. Doch das Land und die Stadt weigern sich bislang, mehr als die ursprünglich zugesagten 930 Millionen Euro (Land) beziehungsweise knapp 292 Millionen Euro (Stadt) zur Neuordnung des Stuttgarter Bahnknotens beizutragen. Die Grünen monieren, dass die Bahn durch einen zu hoch angesetzten Betrag für den Ausstieg das Projekt noch wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lassen wolle. Die zwei Milliarden Euro Ausstiegskosten würden sich nach Rechnung der S-21-Gegner schon um rund 800 Millionen Euro verringern, wenn die Bahn die Rückabwicklung des Grundstückkaufs nicht als Verlust verbuchen, sondern als Rückgabe eines von der Stadt erhaltenen Darlehens betrachten würde.

Özdemir schlägt gegenseitigen Verzicht auf Klagen und Schadenersatz vor

Grünen-Chef Cem Özdemir schlug einen gegenseitigen Verzicht von Bahn, Land und Stadt auf Klagen und Schadensersatzforderungen vor. „Wir einigen uns darauf, dass wir den Konflikt nicht vor Gericht austragen werden. Zudem versichern alle Projektpartner: Das Geld, das bereits im Topf ist, bleibt für mögliche Alternativen im Topf“, sagte Özdemir der „taz“ (Montag).

CDU-Landeschef Thomas Strobl betonte am Sonntag, die grün-rote Landesregierung dürfe sich „nicht einfach vor der Verantwortung drücken“. Eine umsetzbare Alternative zum Tiefbahnhof gebe es nicht. Ob die Aufsichtsräte am Dienstag überhaupt abstimmen, war allerdings fraglich. Ein Aufsichtsrat äußerte die Ansicht, ihm lägen noch zu wenig Informationen vor. Kirchner betonte, ihm sei die Diskussion über Alternativen bislang zu kurz gekommen. Er verlangt Klarheit darüber, ob Stadt und Land ihre Beiträge auch in ein Alternativprojekt stecken würden. Damit könnten sie noch das Abstimmungsverhalten der Aufsichtsräte beeinflussen.