Mit der langgezogenen Schnauze und den hohen Scheinwerfern sieht die neue S-Bahn von außen deutlich anders aus. Foto: Michele Danze

Es wird vermutlich bis zum Frühjahr 2014 dauern, bis alle 87 neuen S-Bahnen auf den Linien S 1, S 2 und S 3 unterwegs sind und auch die anderen Linien modernere Züge haben. Dann aber hat Stuttgart die modernste S-Bahn-Flotte Deutschlands – sagen die Macher.

Plochingen/Stuttgart - Alexander Braun ist einer der jüngsten Lokführer in der Region Stuttgart, der 21-Jährige darf erst seit kurzem eigenverantwortlich S-Bahnen durchs Netz steuern. Und doch hat Braun die Ehre, den ersten Zug der für Stuttgart neu entwickelten Baureihe ET 430 in Plochingen in Gang zu setzen. Zur Abfahrtszeit ist er etwas nervös, aber stolz wie Bolle. „Das macht schon Spaß, mit so einem neuen Modell zu fahren“, sagt Alexander Braun und strahlt. Um 15.23 Uhr fährt er pünktlich zur Jungfernfahrt im normalen Fahrgastbetrieb ab.

Darauf haben VVS-Kunden und Regionalpolitiker als Auftraggeber des S-Bahn-Betriebs lange gewartet. Als der 2,3 Milliarden Euro teure S-Bahn-Vertrag für die Jahre 2013 bis 2028 vor fast genau vier Jahren im April 2009 unterschrieben wurde, sollten die ersten von zunächst 83 neuen Fahrzeugen Mitte 2012 durch die Region fahren. Im vergangenen Jahr sickerte aber durch, dass es Probleme mit der Zulassung gibt. Hersteller Bombardier und das Eisenbahn-Bundesamt schoben sich gegenzeitig den Schwarzen Peter zu. Fakt war, dass die Bonner Behörde die Zulassung statt im Juni 2012 erst im März 2013 erteilte. Außerdem geriet Bombardier in seinem Aachener Werk, das mit Vollendung des Stuttgarter Auftrags dichtgemacht wird, mit der Produktion in Verzug.

Inzwischen ist klar, dass zum Vertragsbeginn am 1. Juli wohl nicht mal die Hälfte der vereinbarten Züge am Start sein wird. Jetzt sind es zwei Züge, nächste Woche sollen weitere drei kommen. Aber mehr als zehn pro Monat werden es wohl nicht, weil auch die Bahn zwei bis drei Wochen für die Abnahme eines Zugs braucht. Jürgen Wurmthaler, leitender Direktor beim Verband Region Stuttgart, sah es am Donnerstag mit einem lachenden Auge. Denn als Strafe für den Verzug muss die Bahn vier Fahrzeuge bezahlen, die der Verband 2011 nachbestellt hat: macht 23,2 Millionen Euro. Wurmthaler: „Mit dieser Situation können wir auch ganz gut leben.“ S-Bahn-Chef Hans-Albrecht Krause kündigte an, zumindest Teile des Gelds von Bombardier zurückzuholen.

Nur auf einer Linie unterwegs

Für die S-Bahn-Fahrgäste brechen abwechslungsreiche Zeiten an, sagte Bahn-Angebotsplaner Siegmund Freitag: „Es ist nicht ganz einfach, so viele neue Züge in ein so großes S-Bahn-Netz einzuführen, das wird der Fahrgast lebhaft spüren.“ Weil je nach Strecke und Tageszeit zwei oder drei Züge zu Vollzügen oder Langzügen gekoppelt werden und das nur mit Zügen einer Baureihe erlaubt ist, darf nur diese Baureihe auf einer Linie unterwegs sein. Insbesondere auf der S 2 werden mal Züge der bisher aktuellsten und ebenfalls klimatisierten Baureihe ET 423, dann brandneue ET 430, zwischendurch aber auch wieder die bald ausgedienten ET 420 ohne Klimaanlage unterwegs sein. Am Ende des Prozesses fahren insgesamt 87 neue Züge auf den Linien S 1, S 2 und S 3, während die anderen Linien mit den ET 423 bestückt werden. Diese sind bereits vergangenes Jahr mit Videokameras nachgerüstet worden und sollen in den nächsten Jahren auch noch Info-Bildschirme und andere Neuerungen bekommen.

Zufrieden waren am Donnerstag nicht nur Wurmthaler und der Lokführer. Fahrgast Frank Merkle etwa lobte, dass der neue Zug „viel leiser und besser gefedert“ sei. Gegenüber Sabrina Lieske fügte an: „Alle Linien sollten solche Züge bekommen.“