Über verschiedene schwäbische Bezeichnungen für Körbe geht es im heutigen Artikel Foto: dpa

Wir bleiben noch bei Semmara, Grädda und Zoena. Unser Sprachforscher Roland Groner erklärt.

Stuttgart - Wir bleiben noch bei Semmara, Grädda und Zoena. Unser Sprachforscher Roland Groner schreibt dazu:

Leser Ewald Schüle, wohnhaft in Neuffen, interessiert, woher die Begriffe „Krätta, Zoina, Zaina“ für „Korb“ kommen. Da sie vom Wortlaut her so verschieden sind, ist seiner Meinung nach eine Ableitung voneinander kaum möglich.

Beginnen wir mit dem Wort „Kratten“ (m.), ahd. chratto, cratto, mhd. gratte, grette, kratte, schwäbisch gesprochen „Graddå“ und „Gräddå“. Man versteht darunter einen meist aus Weiden geflochtenen Armkorb. Der Begriff ist nur im Oberdeutschen zu Hause und wurde nicht ins Schriftdeutsch aufgenommen. Ein kleiner Graddå ist ein „Gräddle“, auch benutzt für „kleines Kind, kleine Person“, während man mit „ aldr Graddå“ einen alten Mann und ein altes wunderliches Weib meint, so in Fischers Wörterbuch zu lesen. In der Schweiz bedeutet „einem im Krättli sein“ in seiner Gunst sein und „einen im Krättli haben“ einen Liebhaber besitzen.

Verwandt mit „Kratten“ ist „Krätze, Kretze“ (f.), ahd. crezzo, mhd. kretze, schwäbisch gesprochen „Grätz“ mit langem ä. Es ist ebenfalls ein Korb und zwar in verschiedenen Funktionen wie „Rückenkorb, Handkorb, Hängekorb, Vogelkorb, Wagenkorb“. Weiterhin wird der Name auch für das Tragreff gebraucht, worunter man das Gestell versteht, das dazu dient, eine Last auf dem Rücken zu tragen. Dies benutzten insbesondere die Hausierer für ihre Waren. Im fränkischen Sprachgebiet nennt man einen Korb, besonders den Rückenkorb, eine „Kötze“, gesprochen mit langem ä „Khäts, Khäåts“. Des Weiteren gibt es „Graskötz, Tragkötz, Mistkötz, Hühnerkötz“.

Der nächste Begriff „Zaine, Zeine“ (f.) ist ein altgermanisches Wort. Es ist eine Weiterbildung zu „zain, zein“ (got. tains, ahd. zein), das für „Zweig, Schößling“ steht – also zum Binden und Flechten bestens geeignet. Zitat bei Grimm: „(der stuhl) ist mit widen und mit zeinen zu samene gebunden“. Gesprochen wird Zaine im Schwäbischen „Zõên(å), Zõãn(å), Zi(å)rnå“. Sie ist ein großer, aus Weide geflochtener Korb, ohne Deckel, wohl immer mit zwei Handhaben.

Als letzter Korb wird die „Schied“ vorgestellt. Sie ist ebenfalls ein aus Weiden geflochtener runder Korb (Simrikorb) mit zwei Handhaben. Das Wort herrscht im äußeren westlichen Sprachgebiet. Nordöstlich davon ist Zeine zu Hause, östlich Kratten / Krätten und ganz im Osten Krebe und Krätze. Krebe sowie Simri wurden vor einiger Zeit behandelt.

Leser Schüle weist darauf hin, dass Zainingen auf der Alb scherzhaft auch „Krättlingen“ genannt wird. Der Neckname ist „Gräddåbutzr“.

Leserin Dorothea Wild schreibt zu Semmere: „Jedesmal, wenn ich mir als Mädchen den Kopf angestoßen hatte, kommentierte das mein Vater mit den Worten: ,Hasch dei Semmere nagschlaga!‘ Deshalb wusste ich schon früh, dass ,a Semmere‘ auch ein Ausdruck für Kopf ist.“

Aufschlussreich ist auch der Beitrag von Leser Hans Langbein: „Laut Meyers Konversations-Lexikon handelt es sich um ein altes Württembergisches Getreidemaß (Simri): 1/8 Scheffel = 4 Vierling = 22,153 Liter. Der Begriff Semmere oder semmricher Kredda ist mir von der Oma her noch geläufig. Wenn jemand besonders viel zu erzählen wusste, konnte sie sagen: ,Der schwäddst au an ganza Aschkarra voll.‘ Man hatte dann ,an Kopf wia a Semmere‘, das heißt, der Kopf brummte einem. Einen Aschkarra hatte der Karrabauer (Müllabfuhr). Der Kuttereimer war landläufig der ,Viktor‘.“ Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Leserin Doris Bühler aus Plüderhausen: „,G’heirat isch et d’Kappa discha – mr ka so leicht a Hex verwischa!‘ Dies sagte wohl früher mancher Vater zu seinem heiratswilligen Sohn.“