Wer erkennt ihn wieder? So sah Harald Glööckler in den 1990er Jahren aus, als er in Stuttgart lebte. Schon damals an seiner Seite: sein Mann Dieter Schroth (links). Foto: /Pompöös

Wie hart ist der Weg von Stuttgart bis zur Dschungelkrone? Schon in den 1990ern griff Dschungelcamp-Favorit Harald Glööckler nach den Sternen, woran sich seine Weggefährten erinnern – in der Stadt, in der gerade ein toter König für Wirbel sorgt.

Stuttgart - Liebesgeschichten, sagen die Romantiker, sind die schönsten Geschichten. Als der gelernte Einzelhandelskaufmann, der sich nun im RTL-Dschungelcamp Ekelprüfungen stellt, noch Harald Glöckler mit nur einem ö heißt, besucht er eine Mannheimer Schwulendisco. Wir blicken zurück in die 1980er. In dem Club sitzt Dieter Schroth. Gern erinnert sich der um 16 Jahre ältere Mann des Designers ans erste Date. Eine schwere Zeit ist’s für ihn. Gerade hat der frühere Regionalliga-Torwart die Scheidung hinter sich, sein Coming-out ist für den Ex-Fußballer noch jung. Im Discolicht sieht er, wie ein junger Typ nicht aufhört, ihn anzulächeln. Was das zu bedeuten habe, fragt Schroth. Die Antwort: „Ich lächele wegen dir!“

Seitdem sind über 35 Jahre vergangen – die beiden sind bis heute ein Paar, was in der schnelllebigen Modebranche keine Selbstverständlichkeit ist. Wer die alten Fotos von Dieter Schroth und Harald Glööckler betrachtet, die 1987 den Jeans Garden an der Eberhardstraße beim Tagblattturm eröffnet haben, sieht den Anfang einer Verwandlung. Damals wirkt der Pompöös-Gründer ein bisschen wie der Bruder von Moritz Bleibtreu. Viele Jahre später, nach ungezählten Schönheitsoperationen, ist er seine eigene Kunstfigur – oder gar eine Karikatur seiner selbst, wie manche spotten?

1995 holte er Gina Lollobrigida nach Stuttgart

Im Internetforum des Stuttgart-Albums erzählen Wegbegleiter, was sie in der Stuttgarter Zeit von Pompöös (von 1985 bis 2001) mit dem Paar erlebt haben. „Harald hatte eine unglaubliche Energie“, schreibt ein Kommentator, „durch nichts ließ er sich davon abbringen, nach den Sternen zu greifen.“ Egal ist ihm schon damals, was andere sagen.

Schon früh zieht es den Designer an königliche Orte. 1994 mietet er das Neue Schloss, um eine für diese Zeit ungewohnt wilde Party mit Barock-Mode zu feiern. 1995 erscheint zum Ball Pompöös in der Alten Reithalle Gina Lollobrigida. Filmreif fährt man das einstige Sexsymbol in der Stretchlimousine vor. Mit Bodyguards kämpft sie sich durchs Geschiebe der Fernsehteams. Dieser Moment sollte prägend für Glööckler sein, wie er sagt: „Es war einer jener Momente, in denen man begreift, dass alles möglich ist, wenn man den Mut hat, was zu bewegen.“

Nach einer Studie sind Zuschauer des Camps überwiegend gebildet

Folgt nun der Absturz in den Trash? Oder ist es der Beginn neuer Karrierehöhepunkte und neuer Selbsterfahrung? Im Dschungelcamp könnte sich die schwarzbärtige Diva, wenn es dumm läuft, lächerlich machen. Wer schaut zu? Wer sich unter seinem Niveau amüsieren will, macht’s eher heimlich. Dabei ist das Fernsehpublikum der Kakerlaken-Show nach einer wissenschaftlichen Studie überwiegend gebildet. Die eigenen Unvollkommenheiten sind weit weg, wenn man über Deppen am Lagerfeuer lacht. In Stuttgart drücken nun viele die Daumen, dass Glööckler, der alle Frauen „zur Prinzessin“ machen will, die Krone holt.

Wird ein früherer Stuttgarter zum Dschungelkönig? Nicht wenige wären bestimmt stolz – in einer Stadt, in der ein echter König 170 Jahre nach seinem Tod Wirbel auslöst. Nun sieht es danach aus, dass es nach heftiger Kritik beim Historischen Volksfest im Herbst doch ein historisches Spiel in majestätische Roben geben wird. Wer genau hinschaut, erkennt Parallelen zwischen dem Dschungelkönig und dem württembergischen König Wilhelm I. Im Dschungelcamp gibt es wenig zu essen – wenig zu essen gab es auch durch Missernten, was zum Cannstatter Volksfest führte. Der Dschungelkönig bekommt eine Krone aufgesetzt. Wilhelm hatte eine Krone, aber diese nie aufgesetzt. In Württemberg gab es für ihn keine Krönungszeremonie. Der Dschungelkönig muss sich die Krone verdienen, wird vom Publikum quasi demokratisch gewählt. Wilhelm I. hat sie geerbt. Im Dschungel können Frauen Königin werden, was einst in Württemberg nicht möglich war.

Der OB erklärt: Wir müssen König Wilhelm I. nicht verstecken

Wir sehen: Dass früher alles besser war, ist gelogen. Fast amüsiert ist Stadtrat Hannes Rockenbauch über seine Macht in der Stadt. Auf seine Kritik am angeblich unkritischen Monarchiespiel – einen Gemeinderatsbeschluss gab es nicht – sollen die Veranstalter von in.Stuttgart den Programmpunkt des Königspaars fürs Historische Volksfest gestrichen haben. Die bestreiten dies energisch. Unabhängig davon habe man ein anderes Programm als 2018 bei der Neuauflage 2022 präsentieren wollen. Die Schauspielerin Sabine Schief, die von der Absage in der Coronazeit finanziell hart getroffen ist, machte ihre Enttäuschung über die Abfuhr öffentlich. Im Ältestenrat des Gemeinderats hat OB Frank Nopper nun erklärt, dass er keinen Grund sieht, König Wilhelm I. zu verstecken. „Ich bin gegen eine Glorifizierung der Monarchie“, sagte er, „aber auch gegen eine geschichtslose Abkehr von Tradition.“

Die Mätresse des Königs hofft auf ein Happy End

Jörg Klopfer, der Sprecher von in.Stuttgart, versichert, dass die Historie beim Historischen Volksfest keineswegs wegfalle. Man erarbeite gerade neue Programmpunkte, bei denen das Königspaar nicht fehle, und werde diese im Wirtschaftsausschuss vortragen.

Sabine Schief freut sich aufs Happy End, das sich andeutet. Als Amalie von Stubenrauch, als Mätresse des Königs, dankt sie dem Ältestenrat „fürs Einlenken in den hitzigen Disput um Wilhelm“. Erstaunt ist sie, „welche gewaltigen Wellen mein König noch heute zu schlagen vermag“. Keiner will die Monarchie zurück, dies ist klar geworden. Und die Königstraße wird auch nicht umbenannt. Wenn es schon ein Stuttgarter König sein muss, reicht uns einer im Dschungel.