Ende Juni hatte die Polizei im Land ihr Jahresbudget zu 55 Prozent ausgeschöpft: Für die Führungsebene ist das kein Grund, Nachschlag zu fordern. Gewerkschaften und Opposition sehen das jedoch ganz anders. Foto: dpa/Symbolbild

Innenministerium beschwichtigt, doch Gewerkschaft warnt vor massivem Geldmangel.

Stuttgart - Landespolizeipräsident Wolf Hammann ist dem Eindruck entgegengetreten, die Dienststellen könnten wegen des massiven Spardrucks ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. „Es ist zu früh zu sagen, es wird nicht ausreichen“, kommentierte er Medienberichte, wonach einzelne Polizeidirektionen bereits jetzt kein Geld mehr für 2012 hätten.

Zwar seien die Ausgaben für Dieselkraftstoff oder Dolmetscher enorm gestiegen – die Spritkosten zum Beispiel machten ein Fünftel des Gesamtbudgets der Polizei aus. „Es ist aber nicht so, dass wir keine Streifenfahrten mehr machen können“, sagte Hammann. Die Kassen seien derzeit nicht leer, sondern auf dem Stand der vergangenen Jahre: „Das ist nicht besorgniserregend“, ergänzte sein Stellvertreter Werner Oßwald.

Das Stuttgarter Innenministerium selbst hatte freilich vor kurzem in einer Antwort auf einen CDU-Antrag mitgeteilt, es müsse „im Einzelfall geprüft werden, Fahrten zum Beispiel durch Fußstreifen“ zu ersetzen. Dadurch würden der Kontakt zum Bürger sowie das Sicherheitsgefühl „sogar nachhaltig verbessert“.

Polizeigewerkschaft widerspricht

Auch der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lautensack, monierte am Donnerstag die Finanzlage und warnte vor Qualitätsmängeln bei der Ermittlungsarbeit: „Das Gros der Dienststellen wird mit den vorhandenen Budgets in diesem Jahr nicht über die Runden kommen.“ Die Politik beschönige und verallgemeinere die Lage. In fast allen Bereichen gebe es Anweisungen zum Sparen.

Hammann und der Inspekteur der Polizei, Gerhard Klotter, bekräftigten, an der Sicherheit der Bürger werde nicht gespart. Das beweise die Kriminalstatistik mit einer hohen Aufklärungsquote. „Wenn sich nach der Sommerpause abzeichnet, dass wir mit den Mitteln nicht zurechtkommen, setzen wir uns mit dem Finanzministerium in Verbindung“, sagte Oßwald.

Nachschlag für die Dienststellen

Bereits Ende 2011 hatte die Polizei einen Nachschlag von 5,7 Millionen Euro erhalten – zusätzlich zu den verfügbaren 53 Millionen Euro. Im laufenden Jahr ist laut Hammann das Budget zu 55 Prozent ausgeschöpft. Wenn eine Polizeidirektion kein Geld mehr habe, müsse sie eben umschichten und zum Beispiel die Möbelbeschaffung zurückstellen, so sein Rat. Dies sei im Rahmen der dezentralen Budgethoheit sehr wohl möglich. „Dann ist stringentes Handeln gefordert“, mahnte Oßwald. Soll heißen: Die Sparschraube anziehen.

Jeder Chef einer Direktion oder eines Präsidiums habe betriebswirtschaftliche Instrumente zur Verfügung, um den Mittelabfluss genau zu überwachen. Dass es im Ausgabeverhalten beträchtliche Unterschiede gibt, räumten die Spitzenbeamten zwar ein, wollten aber keine Details nennen. Klotter: „Ich will keine Hitliste bekanntgeben.“

Berichte, wonach insbesondere Mannheim und Heidelberg unter den Sparmaßnahmen litten, wies er ebenso zurück: Die Polizeidirektion Heidelberg gehöre nicht zu den Spitzenreitern im Mittelverbrauch. Hammann verwies auch auf Ausgleichsmechanismen innerhalb einer Direktion: „Wir haben eine Solidargemeinschaft.“

Woher kommt die Unzufriedenheit?

Eine „gewisse Unzufriedenheit“ wollte er allerdings nicht ausschließen. Diese speise sich aus einer Mischung unterschiedlicher Faktoren: So falle es der Polizei immer schwerer, die staatliche Autorität durchzusetzen. Außerdem müsse sie einsehen, dass sie beim Sparen nicht sakrosankt sei. Und nicht zuletzt plane die Landesregierung eine Strukturreform: „Wir werden eine völlig andere Polizei haben, die Spezialisten bündelt“, so Hammann. Trotzdem sei „die echte Stimmung besser als die verbreitete“.

Der Polizeisprecher der SPD-Fraktion, Nik Sakellariou, pochte derweil auf „Ausgabedisziplin“. Die Dienststellen hätten eine große eigene Verantwortung bei der Mittelbewirtschaftung. „Luft nach oben“ sieht er bei den Einnahmen. Die Polizei müsse Gebühren konsequent eintreiben, das gelte auch für Facebook-Partys, deren Initiatoren man „knallhart zur Kasse bitten“ müsse.

CDU-Fraktionschef Peter Hauk sieht die Sicherheit der Bürger tangiert und wirft dem Innenministerium vor, es mache es sich zu leicht, allein auf die Budgethoheit der Dienststellen hinzuweisen. Wenn den Beamten der Sprit ausgehe, verantworte dies allein die Landesregierung.